Wenn Atome mit Licht bestrahlt werden, reagieren sie binnen Femtosekunden. Um solch schnelllebige Reaktionen im Detail beobachten zu können, braucht es einen Versuchsaufbau, der mit ebenso kleinen Zeitauflösungen arbeitet, sonst werden die Bilder „unscharf“. Am Röntgenlaser European XFEL (kurz für „X-Ray Free-Electron Laser“) bei Hamburg haben Forschende sich zum Ziel gesetzt, genau solch einen Versuchsaufbau zu entwickeln und mit dessen Hilfe in die atomaren Tiefen chemischer Reaktionsdynamiken vorzudringen. Mit großem Erfolg: So sorgte man im April 2022 wieder einmal für Schlagzeilen in der Presse, als es einem EuXFEL-Forschungsteam gelang, eine Rekord-Zeitauflösung von etwa 15 Femtosekunden zu erreichen – die beste Auflösung, die jemals in einem sogenannten Pump-Probe-Experiment an einem Freie-Elektronen-Röntgenlaser erreicht wurde.

Solche Zeitauflösungen eröffnen völlig neue Einblicke in die Dynamik ultraschneller Prozesse, zum Beispiel die zeitliche Veränderung von Biomolekülen im Rahmen einer medikamentösen Intervention. Dank der ultrakurzen Lichtblitze des European XFEL können Prozesse, die viel zu schnell für das menschliche Auge ablaufen, in scharfen Femtosekunden-Schnappschüssen eingefangen und anschließend zu einem Film zusammengefügt werden – als würde man auf atomarer Ebene die einzelnen Schritte eines chemischen Prozesses in Zeitlupe verfolgen! Dies lässt beispielsweise auf neue Erkenntnisse zur effizienten Spaltung von Wasser in Pflanzen und damit eine optimierte Photosynthese im industriellen Maßstab hoffen. Auch für die Informationstechnologie eröffnet der European XFEL völlig neue Perspektiven. So lässt sich am Röntgenlaser mit einer speziellen Apparatur zirkular polarisiertes Licht erzeugen, mit dessen Hilfe die Magnetisierung von Datenträgern künftig ultraschnell gelöscht und wiederbeschrieben werden könnte. Last but not least ebnen die Experimente am European XFEL den Weg für den großen Traum der Strukturbiologie: die Strukturbestimmung von einzelnen, nicht kristallisierten Molekülen. Herkömmliche Untersuchungsmethoden erfordern, dass die Moleküle vorher schockgefroren beziehungsweise kristallisiert werden. Doch das Licht des Röntgenlasers ist so hell, dass auch Moleküle, von denen sich nur sehr kleine Kristalle züchten lassen – zum Beispiel Membranproteine –, untersucht werden können. Künftig, so die Hoffnung der Forschenden, sollen auch einzelne Moleküle untersuchbar sein, so dass ganz auf Kristalle verzichtet werden kann. So rückt eine dreidimensionale Kartografierung des Nanokosmos in immer greifbarere Nähe!

Der insgesamt 1,7 Kilometer lange supraleitende Elektronenbeschleuniger besteht aus 96 gelben, je 12 Meter langen Kryomodulen. Für deren Einrichtung und Wartung wurden spezielle lokale Reinraumzellen entwickelt.

Quelle: European XFEL

Der Röntgenlaser European XFEL ist wirklich außergewöhnlich: 27.000 Lichtblitze pro Sekunde bei einer Spitzenleuchtstärke von 5∙1033 Sch, mehr als das Milliardenfache herkömmlicher Röntgenquellen. Die maximale Elektronenenergie beträgt 17,5 GeV, etwa 3 GeV mehr als der berühmte LCLS-Beschleuniger in Stanford/USA. Die 3,4 Kilometer lange, unterirdische Anlage reicht vom DESY-Campus in Hamburg bis in die schleswig-holsteinische Stadt Schenefeld. Das Forschungszentrum DESY ist auch einer der Hauptgesellschafter des European XFEL, entsprechend konnte man beim Bau der EuXFEL-Anlagen auf profundes DESY-Knowhow in Sachen Teilchenbeschleuniger zurückgreifen.

Doch wie lässt sich ein derart intensives Röntgenlicht erzeugen? Der technische „Trick“ lautet SASE, kurz für Self-Amplified Spontaneous Emission. Dabei werden hochenergetische Elektronenpakete durch einen Undulator geschossen, das heißt eine periodische Anordnung von Dipolmagneten, wobei die Nord-Süd-Ausrichtung benachbarter Magnete jeweils genau entgegengesetzt ist. Durch diese spezielle Magnetanordnung werden die Elektronen auf eine schlangenförmige Bahn gezwungen und emittieren in der Folge Synchrotronstrahlung, die dann als gebündelter Röntgenstrahl für die Experimente genutzt werden kann. Doch damit der SASE-Prozess verlässlich funktioniert, müssen die Elektronenpakete eine enorm hohe Spitzenstromstärke aufweisen. Zu diesem Zweck werden die Pakete in einem Injektor mittels Hochfrequenzelektronenquelle erzeugt und anschließend in Elektronenpulskompressoren verdichtet. Beim anschließenden Transport der Pakete durch den kilometerlangen Beschleunigertunnel müssen ganz spezielle Vakuumbedingungen vorherrschen, um die Kohärenz des Elektronenstrahls – also die zeitlich konstante Phasenbeziehung der einzelnen Elektronen zueinander – nicht im Geringsten zu stören. Auch in den Photonenstrahlrohren, durch die das Röntgenlicht schließlich zu den Experimenten geleitet wird, muss ein beständiges Ultrahochvakuum herrschen. Zu guter Letzt braucht es noch ein Isoliervakuumsystem für die supraleitenden Beschleunigermodule und die Heliumversorgung. Die hohen Anforderungen an die Betriebszuverlässigkeit des European XFEL bzw. an die Zeitauflösung seines Röntgenlasers übertragen sich direkt auf das eingesetzte Vakuumsystem. Phil Schneider, VAT-Produktmanager für Ganzmetallventile, bringt die Sache auf den Punkt: „Ein gutes Vakuum ist der Schlüssel zum erfolgreichen Funktionieren der gesamten XFEL-Röntgenlaserquelle!“ Er muss es wissen, schließlich war er vor seiner Zeit bei VAT als Vakuumingenieur beim European XFEL direkt am Bau der beeindruckenden Anlage beteiligt. „Ich habe damals in der Gruppe gearbeitet, die das Photonenvakuum betreut. Unter anderem war ich am Aufbau der Beamline beteiligt. Heute bringe ich zwar mein Vakuum-Knowhow bei VAT ein, doch ich fiebere immer noch mit, wenn bei European XFEL mal wieder ein wissenschaftlicher Durchbruch gelingt.“

Blick auf die Undulatoren im XFEL-Tunnel, wo die Synchrotronstrahlung erzeugt wird.

Quelle: European XFEL / Heiner Müller-Elsner

Da die verschiedenen Anlagenteile des Röntgenlasers höchst unterschiedliche Vakuumbedingungen erfordern, mussten die EuXFEL-Ingenieure gemeinsam mit ihren Kollegen vom DESY, die für das Beschleunigervakuum verantwortlich sind, kreative und dabei dennoch miteinander kompatible Vakuumkonzepte entwickeln. So wurde das Elektronenstrahlvakuum in verschiedene Abschnitte unterteilt, u.a. Abschnitte rund um die supraleitenden Beschleunigermodule (Betriebstemperatur: 2 K) und Abschnitte für das restliche Beschleunigervakuum (bei Raumtemperatur). Zu den insgesamt 52 Abschnitten des Beschleunigersystems kommen nochmal weitere 80 Abschnitte für das Photonenvakuumsystem hinzu. „Da sich die Isolation der Beamlines von den Experiementierhütten aufgrund der Strahlungs- und Temperaturbedingungen langfristig nur durch Ganzmetall-Vakuumschieber gewährleisten lässt, wurden VAT-Ganzmetall-Vakuumschieber der Baureihe 48 verbaut“, erklärt Phil Schneider. „Diese zeichnen sich dadurch aus, dass hart-auf-hart gedichtet werden kann – in wiederholbarer Weise und ohne plastische Deformationen der Dichtelemente. Die hierbei eingesetzte VATRING-Technology erlaubt ein wiederholtes, dynamisches Hart-auf-hart-Schließen, wobei beide Dichtpartner, der VATRING wie auch der Ventilsitz, aus Edelstahl gefertigt sind.“

Damit der Elektronenstrahl im Bereich rund um die Supraleiter ausreichend vor störenden Zusammenstößen mit Luftmolekülen geschützt ist, muss dort ein Druck von höchstens 10-5 mbar herrschen. Bei diesem Druck lassen sich die Elektronen fast verlustfrei zum Elektronenabsorber führen: Gerade einmal 10 von etwa einer Milliarde transportierten Elektronen kommen auf der 2 km langen Flugstrecke vom Weg ab! In den Beschleunigerabschnitten mit Raumtemperatur, beispielsweise im Bereich der Elektronenquelle, muss der Druck hingegen auf 10-10 mbar abgesenkt werden, um die temperaturbedingte erhöhte Beweglichkeit der Luftmoleküle zu kompensieren. Aufgrund der extremen Rahmenbedingungen sind bei den meisten XFEL-Anwendungen Ganzmetallventile nötig. Doch es gibt auch Bereiche innerhalb der XFEL-Anlage, bei denen die Ventilbelastung bezüglich Temperatur, Strahlung und Vakuumniveau ausreichend gering ist, um den Einsatz von Ventilen mit Elastomerdichtung in Betracht zu ziehen. Diese haben den Vorteil höherer Zykluswerte, so dass sich der Aufwand für die Ventilwartung minimieren lässt. „Zum Beispiel wurden nahe der Undulatoren elastomer-dichtende UHV-Schieber der Baureihe 01.0 mit DN40 verbaut“, erinnert sich Phil Schneider. „Auch zur Abtrennung einzelner Sektorenbereiche für Wartungszwecke erwiesen sich elastomer-dichtende Sektionsschieber als optimale Lösung.“

Mit einer Gesamtlänge von 3,4 km stellte die EuXFEL-Anlage außergewöhnlich hohe Anforderungen an die Entwickler und Zulieferer. „Allein der Kabelbedarf des EuXFEL ist enorm!“, erinnert sich Felix Jordan, der bei VAT verantwortliche Sales Manager. Da sich auch die Vakuumsysteme über sehr lange Distanzen und große Volumina erstrecken, stellen plötzliche Lufteinbrüche eine ganz besondere Herausforderung dar. Man kann sich leicht ausmalen, mit welch riesigem zeitlichen Aufwand – und damit Kosten – allein die Wiederherstellung des erforderlichen Vakuumniveaus einherginge! Um den Betrieb des Strahltransport-Vakuumsystems verlässlich gegen solche Lufteinbrüche zu schützen, sorgt ein Sicherungssystem auf der Basis von VAT-Schnellschlussventilen der Baureihe 75 (in den Größen DN40 und DN100) dafür, dass das Vakuumsystem im Fall eines unvorhergesehenen Druckanstiegs in einem der angrenzenden Sektoren automatisch binnen Sekundenbruchteilen abgeriegelt wird. Phil Schneider erklärt dazu: „Mit ihren enorm schnellen Schließzeiten, zum Beispiel 15 ms beim DN100-Ventil, schützen sie die betroffenen Anlagenteile ganz unmittelbar. Im Fall einer Leckage werden alle relevanten Sektorventile natürlich ebenfalls geschlossen, doch dank der Schnellschlussventile fallen deren längere Schließzeiten nicht ins Gewicht.“

Zum Belüften der Beamline mit Stickstoff und zum Abpumpen mit mobilen Pumpständen haben die XFEL-Entwickler UHV-Ganzmetall-Eckventile der VAT-Baureihe 54.1 verbaut. Das Belüftungsventil (DN16) ist dabei mit einem speziellen Partikelfilter ausgestattet, um die hochempfindlichen Röntgenspiegeloberflächen vor Verunreinigungen durch eintretende Partikel zu schützen. Auch beim Abpumpen und Belüften des Elektronenstrahlvakuums besteht ein erhöhtes Kontaminationsrisiko, unter anderem bedingt durch Turbulenzen. „In den ersten Aufbauten zeigte sich, dass durch eine zu turbulente Strömung mikrometergroße Partikel mitgerissen werden können“, erinnert sich Phil Schneider an die technische Herausforderung. Auch hier sorgt nun die verlässliche Steuerbarkeit der 54.1-Ventile für einen laminaren Gasstrom im Rahmen der Abpump- und Belüftungszyklen.