VAT ist weltweit bekannt dafür, Kunden mit maßgeschneiderten Ventillösungen für jeden Anwendungsbereich zu beliefern. Dieser Erfahrungsschatz spiegelt sich auch in einem enorm breiten Standard-Portfolio an Vakuumventilen wider, die sich durch flexible Varianten – beispielsweise in Bezug auf die Flansche oder den Dichtungstyp – leicht an verschiedenste Anforderungen anpassen lassen.

Doch bei komplexen Industrieanlagen oder Serienproduktionen kann es sein, dass diese Flexibilität im Standard-Portfolio nicht ausreicht und eine Maßanfertigung notwendig wird, um die speziellen Kundenanforderungen abzudecken. In solchen Fällen bietet VAT sogenannte individuelle Ventilportfolios an.

Maßgeschneidert nach Kundenvorgaben

Im Wesentlichen bestehen solche kunden- oder projektspezifischen Portfolios aus einer Auswahl unterschiedlicher Ventiltypen und -technologien, die nach den Vorgaben des Kunden maßgeschneidert und dann beispielsweise für weltweite Zulieferer bereitgestellt werden. So ist gewährleistet, dass die betreffenden zugelieferten Anlagenmodule die immer gleichen, spezifischen Ventile enthalten (Gleichteile-Strategie). Am Beispiel der Kernfusionsanlage ITER ist sehr gut ersichtlich, welche Vorteile Ventilportfolios mit sich bringen und was es bei ihrer Bereitstellung zu beachten gilt.

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Das ITER-Projekt mit Sitz in St. Paul Lez Durance im Süden Frankreichs ist eine Forschungskooperation von 35 Industrieländern mit dem ambitionierten Ziel, Energie durch kontrollierte Kernfusion zu erzeugen. Zu diesem Zweck wird derzeit ein experimenteller Tokamak-Fusionsreaktor gebaut, in dem ab 2025 die Möglichkeit einer dauerhaften Nutzung von Fusionsenergie getestet werden soll. Angesichts der in jeder Hinsicht extremen Bedingungen im Fusionsreaktor – Plasmatemperaturen von 150 Millionen Grad Celsius, ein Ultrahochvakuum im Bereich von 10-8 bis 10-12 mbar und Radioaktivität, u.a. aufgrund von Tritium im Plasma – müssen die eingesetzten Bauteile besonders hohen Anforderungen genügen.

Da in der großen ITER-Anlage viele Vakuumventile mit sehr ähnlichen beziehungsweise identischen Anforderungen verbaut sind, lag es nahe, das Leistungsspektrum der eingesetzten Ventile insgesamt zu definieren, d.h. über die Anforderungen eines einzelnen Ventils in der spezifischen Einsatzsituation hinaus. Dieser Portfolio-Ansatz macht es möglich, dass auch leichte Variationen in den Betriebsbedingungen durch möglichst wenige Varianten vollständig aufgefangen werden können. Zur Umsetzung dieses Ansatzes betraute ITER die VAT mit der Entwicklung eines einheitlichen Ganzmetall- und Elastomerventil-Portfolios gemäß den ITER-Spezifikationen.

Individuell aufs Anwendungsspektrum ausgelegt

Dies war die Geburtsstunde des sogenannten ITER-Katalogs, einem aus etwa 140 Absperrschiebern und Eckventilen bestehendes Spezialportfolio, das genau auf die anspruchsvollen Bedingungen von ITER abgestimmt ist. "Der ITER-Katalog enthält 14 verschiedene Ventiltypen, etwa die Hälfte davon ganzmetalldichtend und die andere Hälfte elastomerdichtend", beschreibt Phil Schneider, der für ITER verantwortliche VAT-Produktmanager, die Grundstruktur des Katalogs. "Die Gliederung haben wir in enger Absprache mit den ITER-Verantwortlichen so entwickelt, dass das geforderte Leistungsspektrum optimal abgedeckt wird und man dennoch möglichst wenige Varianten benötigt."

Der Katalog ist auf Basis der von ITER benötigten Varianten gegliedert, zum Beispiel bezüglich der Ventilgröße, der benötigten Anschlüsse oder der verschiedenen Wirkprinzipien. „Hierin wird deutlich, dass kundenspezifische Portfolios eng auf das individuelle Anwendungsspektrum des jeweiligen Projekts beziehungsweise der Serienfertigung ausgelegt sind“, ergänzt Phil Schneider. Die vergleichsweise hohe Variantenzahl beim ITER-Projekt resultiert dabei aus dem breiten Spektrum an Ventiltechnologien, die in der ITER-Anlage benötigt werden, und aus den recht engen technischen Spezifikationen für die einzelnen Einsatzbereiche. Doch Phil Schneider zeigt sich zufrieden mit dem Ergebnis: "Durch die im Vorfeld präzise definierten und genau auf die ITER-Anforderungen abgestimmten Eigenschaften der Ventile ist es uns gelungen, die technische Komplexität der Ventilanforderungen insgesamt zu standardisieren, den Aufwand für Detailtests im Rahmen der Prototypen-Entwicklung zu verringern und die einzelnen Ventilvarianten in der Herstellung und der Lieferung schneller verfügbar zu machen."

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Grafische Darstellung des ITER-Katalogs, einem speziell für ITER konzipierten Portfolio von VAT-Ventilen. Auf der rechten Seite finden sich die elastomerdichtenden Ventiltypen, links sind die ganzmetalldichtenden Ventiltypen zu sehen. Oben sind die Gate-Ventile und unten die Eckventile.
Quelle: PDF von Phil Schneider


Vereinfachte Beschaffung

Der ITER-Katalog ist über die Webseite von VAT frei zugänglich. So können z.B. die ITER-Anlagenplaner und ITER-Zulieferer gleichermaßen die im Portfolio verfügbaren Varianten einsehen und anstehende Bestellungen bequem tätigen. Alle Kauf- und Lieferungsmodalitäten sind dabei über Rahmenverträge definiert, wodurch sich die Beschaffung stark vereinfacht.

Alle am Bau von ITER beteiligten Firmen sind verpflichtet, sich in punkto Ventile ausschließlich aus dem ITER-Katalog zu bedienen. Phil Schneider dazu: "Der Sinn eines solchen Portfolios ist ja gerade, dass alle Varianten des Kunden schon im Vorfeld im Detail getestet wurden und technisch abgenommen sind. Für jeden Bauabschnitt jeweils neu eingebrachte Varianten würden den Fertigstellungsprozess hingegen verkomplizieren beziehungsweise massiv verlängern." So gewährleistet der Katalog, dass die ITER-Gesamtanlage am Ende des Tages schneller aufgebaut werden kann, da sie in allen Bereichen aus denselben vordefinierten Komponenten besteht. „Solch eine Gleichteile-Strategie ist besonders interessant für Kunden mit komplexen Großprojekten oder Serienfertigungen“, weiß Phil Schneider aus Erfahrung zu berichten.

Gleichteile-Strategie

In solchen Settings kann ein kundenspezifisches Ventilportfolio wie der ITER-Katalog seine Vorzüge voll ausspielen: „ITER muss bei den besonders wichtigen Leistungsmerkmalen keinerlei Kompromisse eingehen, da die Katalogkomponenten in Bezug auf die Bauart, das Material, die Konfiguration und die Anschlüsse exakt für die ITER-Anforderungen optimiert sind.“ Zudem reduziert der Einsatz gleicher Bauteile die Komplexität nicht nur im Sinne einer verbesserten Leistungsfähigkeit und Anlagensicherheit, sondern auch in der Beschaffung und Logistik.

Auch lassen sich zahlreiche administrative und fertigungstechnische Barrieren durch den ITER-Katalog elegant umschiffen. „Vorab verabredete Dinge wie klar definierte Transport- und Reinraumverpackungen oder einheitliche Richtlinien für Fertigungsabläufe wie z.B. die Reinigungsstufen in der Ventilfertigung machen die Arbeit für alle Beteiligten leichter, und auch das Ersatzteilmanagement ist bei einer solchen Gleichteile-Strategie wesentlich vereinfacht!“, fasst Phil Schneider zusammen.

Die einheitliche Dokumentation im ITER-Katalog ist ein weiteres großes Plus für den Kunden. So ist jedes Ventil auf der entsprechenden VAT-Webseite detailliert dokumentiert, mit Datenblatt, Maßzeichnung, Bedienungsanleitung und dem zugehörigen CAD-Hüllenmodell. "Bei VAT ist die projekt- oder kundenindividuelle Dokumentation ein selbstverständlicher Bestandteil unseres Angebots", erklärt Phil Schneider. "Da wir das täglich bei einer Vielzahl von Kunden machen, können wir die einzelnen Dokumentationsschritte in zeit- und kostengünstigen Prozessen bündeln."

Rahmenverträge für entspanntes Arbeiten

Auch bei der Dokumentation rund um die Ventilherstellung und -lieferung bringt der ITER-Katalog allen Beteiligten nur Vorteile. Dank der Rahmenverträge, die alle Schritte von der Bestellung über die Lieferung bis hin zum Preis im Detail vordefinieren, lassen sich individuelle Bestellungen aus dem Portfolio extrem vereinfachen und beschleunigen. Zudem müssen sich ITER und seine Zulieferer nicht wiederholt um die Einhaltung der geforderten Produkteigenschaften kümmern.

Beispielsweise berücksichtigt VAT bei der Herstellung der ITER-Ventile automatisch die hohen Anforderungen in Bezug auf die Güte des Edelstahls, der für die Gehäuseflansche verwendet wird. „Solche Kriterien beziehen wir in die Gehäuseherstellung mit ein und bestätigen dies in Form eines 3.1-Materialzertifikats und einer präzisen Schweiß-Dokumentation. Für spezielle Materialanforderungen dieser Art können sich die ITER-Entwickler und deren Zulieferer also entspannt zurücklehnen, während wir von VAT die Detailarbeit verlässlich im Hintergrund erledigen!“, beschreibt Phil Schneider die große Flexibilität des VAT-Angebotsspektrums.

Verlässliche Verfügbarkeit

Auf Seiten von ITER ist dank des Ventilportfolios der Verwaltungsaufwand wesentlich reduziert; und die ITER-Lieferanten freuen sich über klare Vorgaben und leicht bestellbare Bauteile in stets derselben hohen VAT-Qualität. Im Gegenzug steht VAT natürlich in der Verantwortung, die Beschaffungswege für alle verwendeten Rohmaterialien und Halbfertigprodukte so zu organisieren, dass alle ITER-Lieferanforderungen zeitgerecht beantwortet werden können. „Diese Verantwortung ist ein Kernleistungsmerkmal kundenspezifischer Portfolios – tatsächlich ist das im Markt der Vakuumventile eines der Alleinstellungsmerkmale von VAT“, merkt Phil Schneider an. Doch nicht nur das! Vielmehr garantiert VAT alle verabredeten Produkt- und Lieferungsspezifikationen wie auch den Preis für einen definierten Zeitraum von teils mehreren Jahren, je nach Anforderung des Kunden.

"Bei ITER begannen die Gespräche zur Portfolio-Entwicklung im Jahr 2014; derzeit ist eine Laufzeit des ITER-Katalogs bis mindestens 2029 vereinbart. Daran wird einmal mehr deutlich, dass Unternehmen, die sich von VAT beliefern lassen, über Jahrzehnte hinweg eine verlässliche Verfügbarkeit der benötigten Ventile genießen können, und gegebenenfalls auch von Ersatzteilen in der entsprechenden Spezifikation", benennt Phil Schneider einen weiteren immensen Vorteil kundenspezifischer VAT-Portfolios.

Weltweit größtes Technologiespektrum

Bei der Entwicklung kundenspezifischer Portfolios kann VAT auf das weltweit größte Spektrum von Vakuumventiltechnologien zurückgreifen, wobei eine Vielzahl der eingesetzten Technologien VAT-eigene Entwicklungen sind. Inwieweit man sich dabei auf schon vorhandene Entwicklungen stützen kann oder komplett neue Ventile entwickeln muss, hängt stark von den Kundenanforderungen ab. „In manchen Fällen lässt sich die gewünschte Wirkung mit übersichtlichem Aufwand auf Basis der vielfältigen Anpassungsmöglichkeiten des VAT-Standardportfolios erzielen", so Phil Schneider.

Ein treffliches Beispiel dafür sind die Lagemelder in den ITER-Ventilen: Statt der Standardvariante mit einer Hitzebeständigkeit von 80°C wurde ein modifizierter Melder eingepasst, der Temperaturen von bis zu 200°C aushält. Auch wurde der sonst übliche Kabelbund durch einen Spezialstecker gemäß dem ITER-Standard ersetzt, um eine mühelose Kompatibilität der Ventile mit der Anlagensteuerung zu gewährleisten. Auch bei den eingesetzten elastomer-gedichteten Ventilen reichte der Standard aufgrund der teils erheblichen Strahlungsintensität im Inneren der Anlage nicht aus. „Entsprechend sind bei den ITER-Ventilen alle O-Ringe aus einem besonders strahlungsbeständigen EPDM-Elastomer gefertigt“, beschreibt Phil Schneider die entsprechende Modifikation.

Produktentwicklungen inklusive

Dass VAT im Rahmen kundenspezifischer Portfolios auch Produktentwicklungen anbietet, zeigt sich dann bei den ganzmetalldichtenden Ventilen. Beispielsweise mussten unterschiedliche Flanschtypen integriert werden, und entsprechend gibt es neben den Standard-CF-Flanschen und Schweißstutzen oder auch den sogenannten ITER-Flansch. "Dieser Flansch basiert auf dem Prinzip der Helicoflex-Doppeldichtung, bei der eine eng gewickelte, von einem oder mehreren Metallringen umgebene Schraubenfeder so ausgelegt ist, dass sie einen spezifischen Kompressionswiderstand aufweist“, erklärt Phil Schneider im Detail. Über einen Stutzen am Flansch kann der Raum zwischen den Ringen evakuiert werden, um mögliche Lecks und damit eintretendes Tritium zu detektieren.

À propos Tritium: Diese radioaktive Substanz, die im ITER-Plasma zum Einsatz kommen soll, darf natürlich unter keinen Umständen an die Atmosphäre gelangen. Um dieser ITER-spezifischen Besonderheit bestmöglich Rechnung zu tragen, warf VAT beim UHV-Ganzmetallschieber vom ITER-Typ 1 all sein Vakuum-Erfahrungswissen in die Waagschale: "Um das Standardgehäuse herum haben wir noch ein zweites Schutzgehäuse konstruiert", erklärt Phil Schneider. "Den Zwischenraum zwischen den beiden Gehäuseschichten kann man ebenfalls evakuieren. Dort haben wir einen speziellen Port installiert, über den sich das Zwischenraumvakuum überwachen lässt. Reguliert man das Vakuum im Zwischenraum auf etwa 500 mbar, dann können die ITER-Mitarbeiter mögliche Lecks sowohl in Richtung des Ultrahochvakuums im Inneren der Anlage als auch in Richtung der Atmosphäre verlässlich erkennen!"

Bei den ganzmetalldichtenden Eckventilen gingen die VAT-Entwickler etwas anders vor: Statt einem Doppelgehäuse wurde hier die Wandstärke des Ventils enorm verdickt. Bei diesen Ventilen sticht auch noch eine weitere Besonderheit ins Auge: Während die Balgdurchführung bei herkömmlichen VAT-Ventilen durch einen einfach hydrogeformten Wellbalg realisiert ist, wurde sie für die ITER-Eckventile in doppelter Ausführung konzipiert. „So gibt es für den Fall, dass eine der Balgdurchführungen versagt, noch ein Backup!“, begründet Phil Schneider diese Entscheidung.

Ein ganz besonderes ITER-Ventil…

Obwohl der ITER-Katalog eine erstaunlich große Bandbreite an Ventilen abdeckt, sind natürlich auch immer wieder Spezialentwicklungen nötig. An ein besonders eindrückliches Exemplar denkt Phil Schneider gerne zurück: "Um die Volumina des Tokamaks und des Neutral-Beam-Systems voneinander zu isolieren und ein unabhängiges Belüften zu ermöglichen, haben wir gemeinsam mit ITER ein wirklich besonderes Ganzmetall-Pendelventil entwickelt – das Absolute Valve. Es macht sich die patentierte metallisch-dichtende VATRING-Technologie zunutze und ist mit einem Öffnungsdurchmesser von 1,6 m das größte Pendelventil, das je mit dieser Technologie entwickelt wurde!"

Sind solche Sonderlösungen zu speziell oder werden nur zu bestimmten Zeitpunkten benötigt, ist es natürlich nicht zielführend, sie in den offiziellen ITER-Katalog aufzunehmen. "Vielmehr gehen sie entweder direkt zu ITER oder zu den entsprechenden Einkaufsgesellschaften", kommentiert Phil Schneider.

Aufgrund der enorm hohen Anforderungen, die ITER in Bezug auf die Qualität der eingesetzten Bauteile hat, war der ITER-Katalog eine exzellente Gelegenheit für VAT, um seine herausragenden Fähigkeiten rund um die Ventilentwicklung und -distribution einmal mehr unter Beweis zu stellen. „Wir freuen uns, dass ITER uns mit dieser anspruchsvollen Aufgabe betraut hat“, meint Phil Schneider. „VAT hat viel Erfahrung mit kundenspezifischen Ventilportfolios, beispielsweise mit Kunden in der Halbleiterindustrie oder bei Anlagen zur Serienherstellung von Massenspektrometern und Mikroskopen, doch die Dimension des ITER-Katalogs war auch für uns etwas Besonderes.“

Volle Kundenzufriedenheit

Umso schöner, dass das Konzept des kundenspezifischen VAT-Ventilportfolios sehr gut bei ITER und seinen Zulieferern ankommt! Phil Schneiders Fazit: „Die ausgezeichneten Resultate, die wir gemeinsam mit ITER erzielen konnten, sind ein sehr gutes Beispiel für den hohen Differenzierungsgrad, der sich mit solchen Portfolios erreichen lässt. Und sie belegen eindrucksvoll, wie man die technische Komplexität von Anlagen wirksam reduzieren kann, ohne Abstriche bei der Qualität machen zu müssen.“

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Unglaubliche Dimensionen: Ein Sektor des Vakuumbehälters ist in der Kernfusionsanlage ITER installiert. Das speziell auf ITER zugeschnittene VAT-Ventilportfolio unterstützt eine einheitliche, höchst zuverlässige Auslegung der Vakuumsysteme.
Source: ITER