Bei Ventilen mit pneumatischem oder elektromagnetischem Antrieb tauchen beim Anstoßen bzw. Abbremsen des Ventiltellers zwangsläufig Stöße und Vibrationen auf. Zwar lassen sich solche Störungen durch verschiedenste technische Kniffe verlässlich mindern, dennoch ist bei vielen Anwendungen der Aufwand für die Vibrationsdämpfung erheblich oder führt im Extremfall zu Einschränkungen von Leistungsparametern.

Aus diesem Grund setzt VAT zunehmend auf Elektroantriebe. Diese Antriebsart zeichnet sich durch eine präzise regelbare Schließ- bzw. Öffnungsbewegung des Ventiltellers auch bei sehr kurzen Schließzeiten aus. Die steigenden Anforderungen in modernen Hightech-Anwendungen – etwa der Herstellung von Halbleiterchips – in Bezug auf die Schwingungsarmut machen diese technische Lösung auch für Isolationsventile immer interessanter.

Entsprechend arbeitet VAT seit einigen Jahren neben der Entwicklung von elektroantrieben für Vakuum-Kontrollventile auch an der Entwicklung motorgetriebener Ventil-Varianten für Vakuum-Isolationsventile. Besonderes Augenmerk kommt dabei der Gruppe der Eckventile zu – einer universellen und sehr modularen Ventil-Bauart, die in enorm vielen Anlagebereichen zum Einsatz kommt. Bei Eckventilen bringt der Elektroantrieb signifikante Vorteile in der Stoß- und Vibrationsvermeidung mit sich. Elektroangetriebene Eckventile benötigen keine zusätzliche mechanische Vibrationsdämpfung und können daher näher an vibrationskritische Prozessbereiche gebracht werden, was in vielen Bereichen die Komplexität von Vakuumsystemen verringert.

Individuelles Motorenlayout für jeden Anwendungsfall

Um die Vorteile des Elektroantriebs bestmöglich auszuschöpfen, werden für jedes Ventil-Anwendungsgebiet individuelle Kraftübertragungen und Motorenlayouts definiert. Beispielsweise müssen Ventile, die für ultraschnelle Zykluszeiten ausgelegt sind, mit anderen Motoren betrieben werden als Ventile mit normalen Schließzyklen, und bei großen Ventilen mit schweren Tellern ist eine andere Motordimension nötig als bei kleinen Ventilen.

Es ist gängige Praxis, dass VAT-Kunden die neu entwickelten Ventile einer eigenen Prüfung unterziehen und mögliche Einsatzgebiete abstecken. Für die neue, elektrisch angetriebene Eckventilvariante 26.4 ist diese „Qualifikationsphase“ derzeit in vollem Gange: Verschiedene Unternehmen im Forschungs- und Industriebereich testen Ventile dieser Baureihe und loten aus, welche Möglichkeiten die neuen Leistungsparameter für die Optimierung bestehender Anlagen bzw. den Bau zukünftiger Anlagen bringen.

Ein solcher Praxistest in der renommierten indischen Großforschungsanlage BARC hat nun bestätigt, dass bei dem neu entwickelten motorgesteuerten VAT-Hochvakuum-Eckventil der Baureihe 26.4 (DN 25) der Geräuschpegel auf weniger als 48 dB reduziert ist, ein klarer Parameter für die Stoß- und Vibrationsvermeidung. Auch die von VAT angegebenen unten 300 ms Schließzeit erwiesen sich in verschiedenen Belastungstest als verlässlich. Mit der Ankündigung, wonach die neuen Eckventile nicht nur sanfter steuerbar, sondern auch sehr schnell schließen, hat VAT also nicht zu viel versprochen!

26.4 HV-Eckventil mit elektrischem Antrieb
26.4 HV-Eckventil mit elektrischem Antrieb
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Das Bhabha Atomic Research Centre (BARC), etwa 15 km noröstlich von Bombay, ist eines der größten Forschungsinstitute Indiens. Die rund 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter decken ein breites Spektrum an Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung ab. Neben Nuklearforschung (u.a. Kernfusion, Reaktortechnik, Anreicherung und Wiederaufbereitung von radioaktivem Brennmaterial) wird hier an Quantencomputern, Nanomaterialien, Atom-/Molekülspektroskopie, Dünnschichtfilmen, Neutrino- und Astroteilchenphysik und vielem mehr geforscht.

Zu den bedeutendsten BARC-Anlagen gehören ein Pelletron-Supraleiter-Linearbeschleuniger (TIFR), eine Neutronenstrahlforschungsanlage, eine Reihe von hochmodernen Strahllinien am INDUS-Synchrotron, ein TeV-Atmospheric-Cherenkov-Teleskop in Ladakh, ein Folded-Tandem-Ionen-Beschleuniger, die PURNIMA-Anlagen für schnelle Neutronen direkt auf dem BARC-Gelände, und ein 10-MeV-Elektronenbeschleuniger in Kooperation mit dem Electron Beam Center in Mumbai. Für all diese komplexen Forschungsanlagen entwickelt BARC in Kooperation mit Zulieferern wie VAT kontinuierlich innovative Detektoren, Sensoren, Massenspektrometer, Bildgebungsverfahren und Vakuumsystemkomponenten.

Trend zu vibrationsärmeren Vakuum-Bewegungskomponenten

Was die bei BARC und anderswo eingesetzten Isolations-Vakuumventile angeht, werden seit vielen Jahrzehnten Ventile mit einem pneumatischen Öffnungs- bzw. Schließmechanismus erfolgreich eingesetzt. Doch die zunehmende Miniaturisierung großtechnischer Forschungs- und Herstellungsanlagen zwingt die Ventil-Hersteller weltweit zum Umdenken. Denn bei pneumatischen Lösungen treten Stöße und Vibrationen auf, wenn die Ventilteller angestoßen bzw. abgebremst werden – und diese Störungen müssen mit wachsenden Ansprüchen immer aufwendiger unterdrückt bzw. beim Anlagenlayout berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für vergleichbare elektromagnetischen Lösungen, bei denen die Ventil-Öffnung mithilfe einer Feder geregelt wird, die über eine stromdurchflossene Magnet-Zylinderspule be- und entlastet wird.

Grobe Bewegungen sind z.B. in den Hochpräzisions-Fertigungsanlagen moderner Halbleiterhersteller keine Option mehr. Angesichts der immer kleineren Strukturen, die hier präzise verarbeitet werden müssen, haben selbst minimale Schwingungen in den Produktionsanlagen einen spürbaren Einfluss auf die Fertigungsqualität. „Entsprechend beobachten wir am Markt eine zunehmende Forderung nach Vakuum-Isolationsventilen, die ohne Einschränkung von Leistungsparametern ein sanfteres Bewegungsverhalten haben, im ideal mit steuerbaren Bewegungsprofilen wie bei Kontrollventilen“, fasst Andreas Dostmann, VAT Customer Consultant Scientific Vacuum Applications, die Ausgangslage zusammen.

Bewegungssteuerung mit Soft-Wirkung

Entsprechend arbeitet VAT seit einigen Jahren an der Entwicklung von elektrisch angetriebenen Vakuum-Isolationsventilen. Durch den elektrischen Antrieb lässt sich ganz flexibel ein Bewegungsprofil des Ventiltellers mit variablen Geschwindigkeiten erzeugen, so dass Vibrationen oder Stöße nur in äußerst geringem Maße auftreten. Natürlich stehen die VAT-Entwickler dabei stets vor der Herausforderung, die „weicheren“ Bewegungseigenschaften des Elektroantriebs nicht gegen verlangsamte Schließ- bzw. Öffnungszeiten einzutauschen, sondern vielmehr beide Eigenschaften in einer Lösung zu vereinigen!

Mit großem Erfolg, wie Andreas Dostmann zufrieden feststellt: „Alle neuen motorisierten Isolationsventil-Varianten zeichnen sich dadurch aus, dass sich die Ventile extrem präzise steuern lassen, ohne dass die Schließzeiten darunter leiden. Und wir können damit Vibrationseffekte, wie sie bei der pneumatischen Lösung auftreten, weitgehend vermeiden!“ Zum Beispiel kann das Ende des Schließvorgangs ganz ähnlich wie bei einem Personenaufzug sanft abgefedert werden, so dass es zu keinen ruckartigen Bewegungen kommt. Auf diese Weise wird verlässlich verhindert, dass das Gesamtsystem durch die Ventil-Bewegung in Schwingung gerät.

Stromlos geschlossene Elektro-Ventile

Ein Schlüssel dafür ist der enorm feine Steuerungsgrad moderner Präzisions-Elektroantriebe, mit Beschleunigungs-/Abbremsungsänderungen im Millisekunden-Bereich. Doch mit dem Antrieb alleine ist es natürlich noch nicht getan, weiß Andreas Dostmann zu berichten: „Um die Trägheits- und Fliehkräfte möglichst gut in den Griff zu bekommen, setzen wir sowohl auf der Antriebsseite als auch auf der Seite der zu bewegenden Teile im Ventil verschiedenste technische Innovationen ein.“

Da die Bewegungszyklen und die zu bewegenden Massen von Baureihe zu Baureihe stark variieren, müssen die VAT-Entwickler für jedes einzelne Ventil neu überlegen, welche Kraftübertragung und welches Motorenlayout die Vorteile des Elektroantriebs bestmöglich akzentuieren. Sorgsam wägen sie ab, welche Motorenspezifikationen für Ventile mit schnelleren oder langsameren Zykluszeiten, mit längerem oder kürzerem Hubweg und mit schwererem oder leichterem Teller benötigt werden. Auch eventuelle Kundenanforderungen in Bezug auf ein reduziertes Bauvolumen haben Einfluss auf das Antriebsdesign.

Jetzt auch elektroangetriebene Eckventile

Eine der Baureihen, für die diese Herausforderung kürzlich zur vollen Zufriedenheit der VAT-Entwickler gemeistert wurde, sind die Hochvakuum-Eckventile der Baureihe 26.4: Hier hat VAT seit neuestem auch eine elektrifizierte Ventil-Variante im Portfolio. Wie auch bei der elektromagnetischen Variante, bei der die Feder das Ventil verschließt, solange kein Strom durch die Spule fließt, handelt es sich bei dem neu entwickelten motorbetriebenen Hochvakuum-Eckventil um ein sogenanntes stromlos geschlossenes Ventil (Englisch: normally closed valve), das heißt, es ist zuverlässig gegen Stromausfälle gesichert, indem das Ventil automatisch schließt, wenn kein Strom mehr durch den Motor fließt.

Eckventile werden im Forschungsbereich und in vielen Industrieanwendungen typischerweise als Sekundär-Vakuumventile eingesetzt und haben ein entsprechend breites Einsatzspektrum. Andreas Dostmann benennt ein typisches Anwendungsbeispiel: „Großforschungsanlagen wie Teilchenbeschleuniger sind häufig so groß dimensioniert, dass man die im Beschleuniger eingesetzten einzelne Abschnitte isolierenden Sektorventile nicht einfach so unter der ganzen Last des atmosphärischen Drucks öffnen kann. Entsprechend müssen vorher die Vakuumabschnitte belüftet werden, und genau dafür sind solche VAT-Hochvakuum-Eckventile prima geeignet.

Auch bei sogenannten Soft-Pump-Steuerungen, bei denen der Druck in einer Vakuumkammer sukzessive reduziert wird, kommen Eckventile dieser Art – teilweise auch in Kaskaden – zum Einsatz.“ Manche solcher Kaskaden bietet VAT auch schon kombiniert innerhalb einer einzigen Ventil-Lösung an, z.B. das Hochvakuum-Eckventil der Baureihe 29.2, bei dem ein großes Eckventil mit einem kleineren Eckventil als Bypass kombiniert ist und damit ein sehr sanftes Öffnen ohne Druckstoßimpulse erreicht wird.

Breites Anwendungsspektrum

Auch moderne Laseranlagen, wie sie zum Beispiel im BARC-Kernbrennstoffkreislauf auftauchen, sind vielversprechende Einsatzgebiete für die neuen elektrisch angetriebenen Eckventile. Andreas Dostmann dazu: „Laser sind extrem empfindlich gegenüber Vibrationen. Die durch normale Pneumatik-Ventile verursachten Stöße sind da nicht akzeptabel. Hier kann der motorisierte Antrieb seine bewegungssanften Stärken voll ausspielen, bei ähnlichen schnellen Schließzeiten wie bei der elektromagnetischen Variante.“

Getestet und für gut befunden

Natürlich sind alle Parameter, die VAT seinen Kunden für eine neue Ventil-Variante präsentiert, mehrfach sorgsam unter definierten Standardbedingungen geprüft. Doch ist es vielen Kunden wichtig die Parameter in ihrem individuellen Anwendungskontext zu verifizieren. Dazu Andreas Dostmann: „Bei den meisten unserer Großkunden gibt es eigene Abteilungen, die mögliche neue Komponenten auf ihre Einsatzqualität hin prüfen. Besteht die Komponente den Test, kann sie meist von verschiedenen Abteilungen des Kunden beschafft und eingesetzt werden.“ Eine entsprechende Verifikation für die motorisierten Eckventile haben nun Physiker aus der Abteilung für elektromagnetische Anwendungen und Instrumentierung am BARC in Indien vorgenommen.

In einer Großforschungseinrichtung wie BARC werden Hochvakuum-Eckventile vielerorts benötigt, entsprechend neugierig waren die Tester, inwiefern die elektrisch angetriebene Ventil-Variante ihre Anlagen in Zukunft noch leistungsfähiger machen könnte. In der zweimonatigen Testphase bestätigten die Testergebnisse sehr genau die von VAT prognostizierten Daten. Auch konnten die Tester zahlreiche BARC-Anlagen identifizieren, in denen diese vibrationsarmen und schnellschließenden HV-Eckventile einen zukünftigen Einsatz finden können.