Fusionsenergie entsteht, wenn zwei Atomkerne miteinander verschmelzen: Gemäß Albert Einsteins berühmter Formel E = mc2 wird die Massendifferenz zwischen den beiden Ursprungskernen und dem resultierenden Fusionskern als Energie freigesetzt. Dabei handelt es sich um unvorstellbar große Energiemengen: Die Umsetzung von einem Gramm Deuterium-Tritium-Gemisch zu Helium würde eine thermische Energie von rund 100 Megawattstunden hervorbringen. Zum Vergleich: Um diese Energiemenge aus Steinkohle zu erzeugen, müssten Sie mehr als 12 Tonnen Kohle verbrennen! Aber es wird noch besser: Denn Wasserstoff ist hier auf der Erde ein nahezu unerschöpflicher Rohstoff, zudem sind die Rückstände der Kernfusion im Gegensatz zu den umweltschädlichen Treibhausgasen bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern chemisch völlig unbedenklich. Kein Wunder also, dass die Forschung seit über einem Jahrhundert davon träumt, diese wundersame Energiequelle anzuzapfen.

In Cadrache, einem kleinen Dorf im Süden Frankreichs, scheint dieser Traum in greifbare Nähe zu rücken. Dort hat das ITER-Projekt seinen Sitz, eine Forschungskooperation von 35 Industrieländern mit dem ambitionierten Ziel, Energie durch kontrollierte Kernfusion zu erzeugen. Zu diesem Zweck wird derzeit ein experimenteller Tokamak-Fusionsreaktor gebaut, in dem ab 2025 die Möglichkeit einer dauerhaften Nutzung von Fusionsenergie getestet werden soll. Im Reaktor wird die Kernfusion mithilfe eines Deuterium-Tritium-Plasmas erzeugt, das durch extrem starke Magnetfelder gebündelt und anschließend verschmolzen wird. Klingt eigentlich ganz einfach, ist in der Praxis aber unglaublich kompliziert. So muss beispielsweise im Plasma eine Temperatur von 150 Millionen Grad Celsius herrschen (zehnmal höher als im Kern der Sonne), damit eine Kernfusion einsetzen kann. Auch muss der Reaktor hermetisch unter Ultrahochvakuumbedingungen verschlossen sein.

Hier kommt der Schweizer Ventilspezialist VAT, Weltmarktführer für Hochleistungs-Vakuumventile und seit einigen Jahren exklusiver ITER-Entwicklungspartner, ins Spiel. Für das ITER-Projekt wurden hochspezialisierte Ventile entwickelt, die den extremen Temperatur- und Strahlungsbedingungen rund um den Tokamak-Reaktor wiederstehen. So können die ITER-Entwickler und deren externe Partner bequem alle für die Entwicklung eines bestimmten Moduls benötigten Ventile aus dem ITER-spezifizierten Katalog auswählen – im sicheren Wissen um vollständige Kompatibilität und höchstmögliche Sicherheit.

Die meisten ITER-Ventile sind Ganzmetallventile, die spezielle Metall-auf-Metall-Dichtungen (VATRING) anstelle von Elastomeren verwenden. In deren pneumatischen Ventilantrieben werden zusätzlich spezielle O-Ringe verwendet, die strahlungsresistenter als herkömmliche Elastomer-Dichtungen sind. Bei VAT beobachtet man gespannt, wie sich die Ventile im Langzeiteinsatz unter solchen Extrembedingungen bewähren werden. „Für das VAT-Team sind die ITER-Entwicklungen von ganz besonderer Bedeutung, weil wir hier die Grenzen des technisch Machbaren ausloten müssen“, erklärt Phil Schneider, der bei VAT zuständige Produktmanager für Ganzmetallventile. Schon jetzt hat die ITER-Kooperation den Schweizer Ventilprofis unzählige wertvolle Erkenntnisse rund um die Ventilentwicklung beschert.

Für Besucher des ITER-Geländes gibt es nun eine weitere Attraktion: ein übergroßer VATRING und der Prüfstand, mit dessen Hilfe die Ventilspezialisten von VAT das größte jemals hergestellte Ganzmetall-Hochdruckventil entwickeln.

Im ITER-Reaktor gibt es zwei sehr leistungsstarke Neutralstrahlinjektoren, um das Plasma auf Fusionstemperaturen zu erhitzen. Ein dritter Neutralstrahlinjektor dient der Diagnose des Plasmas. Jeder Injektor bildet eine Vakuumkammer, welche im Falle eines Störfalls (z.B. Feuer, Erdbeben, Druckanstieg oder Kühlmittelleckagen) unabhängig vom Tokamak entlüftbar sein muss. Beim Suchen nach einer für diese Zwecke geeignete Ventillösung rückte bald die innovative VATRING-Technologie in den Fokus der Aufmerksamkeit – eine von VAT entwickelte Dichtungstechnologie für Ganzmetallventile zum wiederholten hermetischen Schließen unter UHV-Bedingungen. Anfangs bestanden zwar gewisse Zweifel, ob sich diese Technologie auf ITER-Anforderungen skalieren lassen würde, doch damit war der Ehrgeiz der VAT-Entwickler natürlich geweckt: Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie entwickelten sie das Absolute Valve DN1600, das nicht nur allen ITER-Spezifikationen genüge tut, sondern mit einem Öffnungsdurchmesser von 1,6 Metern das größte jemals entwickelte Ganzmetallventil ist!

Im Ventil sind Dichtungen aus rostfreiem Stahl mit einer Silberbeschichtung verbaut, so dass eine hohe Vakuumdichtigkeit bis zu einem Druckgradienten von 0,2 MPa / 2 bar über dem Ventilteller gewährleistet ist, bei einer gleichzeitigen Leckrate von weniger als 10-7 mbar/s. Der Testprototyp dieser im wahrsten Sinne des Wortes großartigen Ventildichtung hat heute einen Ehrenplatz auf einer Anhöhe nahe der ITER-Baustelle und ist ein beliebter Anlaufpunkt für alle Baustellenbesucher.

Das unglaubliche Potenzial des ITER-Reaktors zeigte sich einmal mehr, als im Februar 2022 Forscher des europäischen Fusionsprojekts JET – dem direkten Vorgängerprojekt von ITER –berichteten, es sei ihnen gelungen, mit einem Deuterium-Tritium-Plasma eine Energie von 59 Megajoule herzustellen – knapp viermal so viel wie bei einem früheren Energierekord aus dem Jahr 1997. Zwar liegt die Leistung des JET-Fusionsreaktors noch deutlich unter dem sogenannten Breakeven-Punkt, ab dem mehr Energie durch Kernfusion entsteht als für die Aufheizung des Plasmas benötigt wird. Doch die Erzeugung dieses über Sekunden stabilen und energiereichen Fusionsplasmas gilt als wichtiger Test für den ITER-Fusionsreaktor – der die Breakeven-Schwelle erstmals überschreiten soll. Da sowohl der JET- als auch der ITER-Reaktor auf ein Deuterium-Tritium-Gemisch als Plasma setzen, können die Forscher aus dem Rekordexperiment wichtige Rückschlüsse in Bezug auf die optimalen Plasma-Parameter ziehen, um dann im ITER-Reaktor Experimente mit wesentlich energiereicheren Fusionsplasmen umzusetzen.