Das „Institute of High Energy Physics“ in der Nähe von Peking, kurz IHEP genannt, ist Chinas größtes Forschungsinstitut für Hochenergiephysik. Hier versuchen über 1.400 Vollzeitmitarbeiter, noch ungeklärten Geheimnisse des Universums auf der grundlegendsten Ebene zu entschlüsseln – von den kleinsten subatomaren Teilchen bis zu den großräumigen Strukturen des Kosmos. Neben Grundlagenforschung in der Teilchen- und Astroteilchenphysik deckt das IHEP ein breites Spektrum an interdisziplinärer Pionierforschung ab, unter anderem im material-, chemieingenieur-, energie- und umweltwissenschaftlichen Kontext. Doch auch moderne Beschleunigertechnologien (u.a. Electron-Positron-Collider zur Herstellung von Z- und Higgs-Teilchen) und innovative Möglichkeiten der High-Tech-Industrialisierung werden am IHEP detailliert erforscht.

Die Geschichte des IHEP reicht bis zur Gründung des „Institute for Modern Physics“ im Jahr 1950 zurück, ein Jahr nach Ausrufung der Volksrepublik China. Das IHEP selbst begann als Abteilung Nr. 1 dieses Instituts und wurde 1973 als eigenständiges Forschungsinstitut ausgegliedert. Seitdem hat es sich als feste Größe in der internationalen Teilchenphysik-Community etabliert. Bei IHEP pflegt man enge Beziehungen zu anderen Forscherteams weltweit, unter anderem in Form von offiziellen Kooperationsabkommen mit etwa 20 Forschungseinrichtungen aus 13 Ländern in Asien, Europa und Nordamerika. Beispielhaft sei hier das „US-PRC Joint Committee on High Energy Physics“ erwähnt, eine seit über 30 Jahren bestehende Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und chinesischen Forschern, die zahlreiche wissenschaftliche Durchbrüche hervorgebracht hat. So machte man im März 2012 von sich reden, als IHEP-Forscher im Rahmen des sogenannten „Daya Bay Reactor Neutrino Experiment“ eine neue Art von Neutrino-Oszillationen entdeckten – laut der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science einer der zehn größten wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres 2012. Auch das 1951 gegründete und später ins IHEP eingegliederte „Laboratory of Particle Astrophysics“ gilt als eines der weltweit führenden Forschungszentren rund um kosmische Hintergrundstrahlung. Weitere IHEP-Projekte wie der „Beijing Electron-Positron Collider“ (im Tau-Charm-Energiebereich), das „China Spallation Neutron Source Project“ zur Erzeugung von Spallationsneutronen mit Energien bis zu 500 kW und das „Jiangmen Underground Neutrino Observatory“ zur präzisen Bestimmung der Neutrinomassenhierarchie zählen zu den wichtigsten wissenschaftlichen Einrichtungen Chinas. Kaum verwunderlich, dass IHEP beim „Yangbajing Cosmic Ray Observatory“ in Tibet – einem mehr als 60.000 qm großen Luftschauer-Array zur kontinuierlichen Aufzeichnung ultrahochenergetischer kosmischer γ-Strahlen – ebenfalls federführend beteiligt ist. Auch hier tragen IHEPs langjährige und verlässliche Verbindungen zur internationalen Hochenergiephysik-Community Früchte, unter anderem in Form der chinesisch-italienischen Forschungskooperation ARGO-YBJ („Astroparticle Physics Research at Ground-based Observatory Yangbajing“) und einem chinesisch-japanischen Gemeinschaftsprojekt zur Untersuchung der Beschaffenheit der solaren bzw. interplanetaren Magnetfelder unter dem Einfluss der Sonnenaktivität.

Eines der Schlüsselprojekte bei IHEP trägt den Namen HEPS, kurz für „High-Energy Photon Source“ (deutsch: Hochenergiephotonenquelle). HEPS ist eine extrem leistungsstarke Synchrotronstrahlungsquelle mit einer Energie von 6 GeV, einer Emittanz von weniger als 60 pm×rad und einer Brillanz von mehr als 1×1022 Sch – das heißt 1022 Photonen pro Sekunde, Quadratmillimeter und Millirad-Raumwinkel bei einer Wellenlängenbandbreite von 0,1%. Die HEPS-Anlage besteht im Wesentlichen aus einem Beschleuniger, Strahlführungen, Endstationen und Unterstützungseinrichtungen, wobei sich der Beschleuniger wiederum aus drei separaten Beschleunigern zusammensetzt:

  • Der HEPS-Elektronenspeicherring hat einen Umfang von 1360 m, eine Strahlenergie von 6 GeV und eine maximale Stromstärke von 200 mA. Um die geforderte Emittanz von weniger als 60 pm×rad zu erreichen, besteht der Speicherring aus 48 modifizierten Hybrid-7BA-Magneteinheiten. Für diese Struktur sind ultrahochfeste Quadrupol- und Sextupolmagnete nötig, wodurch die dynamische Apertur klein und äußerst fehleranfällig wird. Entsprechend müssen die Magnete und deren Versorgungssysteme enorm präzise gefertigt werden. Auch muss ein spezielles Verfahren für den Bau des Beschleunigertunnels entwickelt werden, um die Auswirkung schädlicher Mikrovibrationen auf die Strahlführung zu minimieren.
  • Der Booster ist ein Elektronen-Synchrotronbeschleuniger mit einem Umfang von etwa 454 m, mit dessen Hilfe sich der Elektronenstrahl von 500 MeV auf 6 GeV beschleunigen lässt, bevor der hochenergetische Strahl in den Speicherring geleitet wird.
  • Der Linearbeschleuniger (kurz: Linac) dient als Injektor für den Booster. Er ist etwa 49 m lang, hat eine Ausgangsenergie von 500 MeV und eine Makroimpuls-Wiederholfrequenz von 50 Hz. Neben einer Heißkathoden-Elektronenkanone mit langer Lebensdauer beinhaltet der Linac ein komplexes Bündelungssystem und eine Reihe von S-Band-Gradienten-Wanderwellen-Beschleunigern.

Mit HEPS, dessen konkrete Planungs- und Genehmigungsverfahren im Jahr 2016 begannen und dessen Fertigstellung für 2025 vorgesehen ist, baut China seine erste eigene Hochenergie-Synchrotronstrahlungsquelle. Die HEPS-Entwickler erhoffen sich davon einen enormen Entwicklungsschub in unterschiedlichsten Wissenschafts- und Technologiebereichen. HEPS ist als multidisziplinäre Experimentierplattform für die Grundlagenforschung gedacht, um das Wesen der Materie und ihr komplexes Zusammenwirken auf atomarer Ebene immer besser zu begreifen. Die enorm hohe Auflösung von HEPS ermöglicht detaillierte Untersuchungen in ultrakleinen Dimensionen. Beispielsweise lassen sich mit seiner räumlichen Auflösung von bis zu 10 nm einzelne Nanopartikel beobachten; und mit seiner Energieauflösung von 1 meV ermöglicht HEPS tiefe Einblicke in subtilste quantenphysikalische Prozesse. Die zeitliche Auflösung von HEPS liegt im Picosekundenbereich, mit hoher Wiederholfrequenz.

Die enorm hohen Strahlenergien bzw. extrem niedrigen Emittanzen stellen allerhöchste Anforderungen an die Auslegung und den Betrieb des Beschleunigers, der Strahlführungen und der Endstationen. Um den Erfolg dieses äußerst anspruchsvollen Projekts zu gewährleisten, beschlossen die HEPS-Planer, die HEPS-Testanlage (HEPS-TF) vor dem Bau des Hauptrings und der Strahlführungen zu entwickeln. Diese Testanlage, die von 2016 bis 2018 in nur zweieinhalb Jahren gebaut wurde, erwies sich als voller Erfolg: Dank eines innovativen MBA-Speicherringdesigns ist sie verlässlich in der Lage, die geforderte horizontale Emittanz von weniger als 60 pm×rad bei einer Strahlenergie von 6 GeV zu liefern. Auch sonst bescherte HEPS-TF den Entwicklern wertvolle Einsichten rund um die für HEPS benötigte Technologie, z.B. Hochgradient-Quadrupole, NEG-Beschichtungen für die Vakuumkammer, verlässliche Stromversorgungen für Magnete oder Kirkpatrick-Baez-Optiken für die Feinmessung des Strahlprofils. Auch die für HEPS vorgesehenen Strahlführungen, ein Hochenergie-Röntgenmonochromator, eine Nanofokussierungssonde, ein Pixelarraydetektor und andere optische Hochpräzisionsmessgeräte wurden im Rahmen von HEPS-TF ausgiebig getestet und für HEPS-tauglich befunden.

Mit den erfolgreichen Testergebnissen von HEPS-TF im Rücken erfolgte dann in 2018 der offizielle Startschuss für den Bau der vollwertigen HEPS-Anlage. Zuvor hatten die HEPS-Entwickler noch 14 Strahlführungen priorisiert, u.a. eine multimodale Strahlführung für harte Röntgen-Nanosonden, eine Beamline für Strukturdynamik, eine Beamline für mikrofokussierende Röntgenproteinkristallographie und eine Hochdruck-Beamline. Nach Abschluss der ersten Konstruktionsphase wurde dann entschieden, 70 weitere Strahlführungen und Endstationen rund um den Speicherring zu bauen. Seither sind die Bauarbeiten planmäßig vorangekommen und die Beschaffung bzw. Herstellung der notwendigen technischen Ausrüstung ist in vollem Gange, z.B. Beschleuniger-Hardwaresysteme, Hochleistungsmagnete, HF-Resonatoren und eine Stromquelle für den Linearbeschleuniger. Als Ventillieferant ist VAT schon seit den ersten HEPS-TF-Gehversuchen eng in dieses aufregend-vielseitige Forschungsprojekt eingebunden. Beispielsweise entwickelte die VAT-Forschungsabteilung ein spezielles RF-Ventil für eine der Strahlführungen, die sich in Praxistests hervorragend bewährte. Auch an anderen zentralen Positionen der HEPS- bzw. HEPS-TF-Anlage kommen VAT Vakuumventile zum Einsatz, vor allem aus den Ganz-Metall-Baureihen 47, 48 und 54. „Die Zusammenarbeit mit IHEP ist sehr konstruktiv und vertrauensvoll, entsprechend bin ich guter Dinge, dass wir auch weiterhin unser Ventil-Knowhow in dieses prestigeträchtige Forschungsprojekt einbringen können“, blickt Jerry Zhang, VAT Sales Manager, optimistisch in die Zukunft.