Dreharbeiten zu einem Underground-Film

Die Schweiz hat eine lange Tradition im Tunnelbau und ist weltbekannt für den Bau des Gotthardtunnels im 19. Jahrhundert. Einer der neuesten Hightech-Tunnel des Landes ist der Swiss Free Electron Laser (SwissFEL) am Paul Scherrer Institut (PSI), der ultrakurze Röntgenpulse in einem 740 m langen Tunnel erzeugt. Es ist das neue Werkzeug für Wissenschaftler weltweit, um optische Prozesse in Atomen und Molekülen mit beispielloser zeitlicher Auflösung zu untersuchen. Die Röntgenstrahlen des SwissFEL sind nicht nur äußerst brillant, sondern besitzen sogar Lasereigenschaften, die völlig neuartige Experimente an Molekülen und Quantenmaterialien ermöglichen.

Die Wissenschaftler am PSI sind quasi Filmregisseure, die der Welt mit Hilfe von Röntgenstrahlung die schnellsten Materialprozesse vor Augen führen wollen. Beispielsweise erfolgt die Lichtabsorption im Chlorophyll auf einer Zeitskala von nur wenigen Femtosekunden, was etwa zehn Billionen Mal schneller ist als die Bildwiederholrate von Fernsehgeräten. Um solche schnellen Prozesse zu sehen, werden sehr kurze Röntgenpulse durch die Beschleunigung kleiner Elektronenbündel in der 740 m langen Röhre des SwissFEL erzeugt. Die Röhre wird bei Ultrahochvakuum (UHV) von unter 10-9 mbar gehalten, um eine ungehinderte Bewegung der Elektronen im Inneren zu gewährleisten und die Interferenz mit Umgebungsluftmolekülen zu verhindern. Der Vakuumzustand muss zu allen Betriebszeiten aufrechterhalten werden, da die Spurtreue der Elektronen ein entscheidender Schlüssel zur Erzeugung von Röntgenpulsen ist. Einmal auf hohe Geschwindigkeit beschleunigt, werden diese Elektronen von Magneten auf einer wellenförmigen Flugbahn geführt. Diese gekrümmte Bewegung bewirkt, dass sie Röntgenstrahlung aussenden, während die gerichtete Vorwärtsbewegung den Röntgenstrahlen die selbstverstärkenden Lasereigenschaften gibt.

Für Wissenschaftler sind die Röntgenpulse wie das Licht für die Filmregisseure, und sie werden in Endstationen geführt, wo die Experimentatoren ihre Kameras in Form von Experimenten aufstellen. Die neueste Maloja-Endstation nutzt das weiche Röntgenspektrum an der Athos-Beamline des SwissFEL, um eine Echtzeitansicht der chemischen und elektronischen Strukturänderungen einzelner Atome, Moleküle und manipulierter Quantenmaterialen zu erhalten. Damit Experimente funktionieren, ist es entscheidend, die Strahlen des SwissFEL sehr genau mit den Proben und allen anderen Laserstrahlen auszurichten, die zur Stimulation der untersuchten Materialien verwendet werden. Dies ist oft eine sehr mühsame und zeitaufwendige Arbeit, die unabhängig von anderen SwissFEL-Anwendern durchgeführt werden muss. Daher muss jede experimentelle Vakuumkammer vom Rest der SwissFEL-Vakuumumgebung trennbar sein.

Kundenspezifische VAT Ventile

Eine gängige Lösung ist die Implementierung eines Vakuumschieberventils, das die Endstation vom Ultrahochvakuumteil der SwissFEL trennt. Die auf dem Markt erhältlichen Standardventile würden es jedoch nicht erlauben, mit bis zu drei verschiedenen Justierstrahlen durchzuscheinen, wie es die neue Maloja-Endstation der SwissFEL verlangt.

VAT ist ein langjähriger Partner des PSI und hat mehrere hochwertige Komponenten in UHV-Qualität an das SwissFEL-Projekt geliefert. Diese reichen von Absperrschiebern der Baureihen 01.0 und 10.8 über 54.0 Ganzmetall-Eckventile bis hin zu Feindosierventilen des Typs 59.0. "Wenn es um Ultrahochvakuumanwendungen in anspruchsvollen wissenschaftlichen Umgebungen wie dem SwissFEL geht, ist VAT in der Regel ein integraler Bestandteil des Projekts. Wir bieten einen einzigartigen Produktkatalog, wenn es um UHV-Ventile geht", erklärt Andreas Dostmann, Sales Manager bei VAT.

"Doch als die Wissenschaftler von SwissFEL mit der Anforderung für einen Absperrschieber mit drei Strahlfenstern in definierten Winkeln auf mich zukamen, wusste ich, dass dies kein Produkt von der Stange war. Daher beauftragte ich unsere Ingenieure, es speziell für die Maloja-Endstation zu entwerfen." Nach einem kurzen technischen Austausch mit dem PSI über die technischen Anforderungen entwarf VAT ein spezialgefertigtes Vakuumschieberventil mit den passenden Fenstermaterialien, um eine ungehinderte Laserdurchdringung zu gewährleisten.

Das gemeinsame Streben nach Fortschritt

Das neue Ausrichtungs-Absperrventil wurde Mitte 2020 an die SwissFEL ausgeliefert, und die Maloja Experimentierstation hat ihre Funktion noch im selben Jahr unter Beweis gestellt. Seit 2022 steht es Wissenschaftlern aus aller Welt offen, ihre experimentellen Kameras aufzustellen, um neuartige Materialeigenschaften zu erforschen. Nach der Ausrichtung ihrer Experimente, können die Forscher nun direkt das Absperrventil zum SwissFEL öffnen und die faszinierenden Eigenschaften der ultrakurzen Röntgen-Laserpulse nutzen, um ihre akribisch vorbereiteten Experimente live zu verfolgen.

"Ich weiß, dass wir das Know-how im eigenen Haus haben, um solche technischen Probleme schnell zu lösen", weiß Andreas Dostmann. "Aber noch wichtiger ist, dass unser Unternehmen immer den Ehrgeiz hatte, durch maßgeschneiderte Lösungen zum technologischen Fortschritt beizutragen. Wir scheuen uns nicht, viele Ingenieurstunden darauf zu verwenden, die eine perfekte Lösung für jeden einzelnen Kunden zu finden." Dies ist einer der Gründe, warum das Paul Scherrer Institut mit einer einstelligen Kundennummer einer der ältesten Kunden von VAT ist.

Während die Tunnelkonstruktion des SwissFEL eine Assoziation mit dem Gotthard-Tunnel schafft, der direkt durch die Alpen führt, sind die Experimentierstationen nach Schweizer Pässen benannt, die über die Alpen führen. Und es passt zu ihrem Zweck: Die Wissenschaftler wollen hoch hinaus mit ihrem Ziel, die zeitliche Auflösung der Anlage vom Femtosekunden- auf den Attosekundenbereich - also um weitere 1000-mal schneller – zu verbessern. Wie auf den Serpentinen des Maloja-Passes müssen sie auf dem Weg zu neuen Höhen einige Hindernissen überwinden. VAT wird ihnen dabei helfen, wo wir können!