Ein Ring für die Kreislaufwirtschaft

Mottainai – „Welch eine Verschwendung!“ So bezeichnen japanische Umweltschützer das unnötige Wegwerfen von Dingen, die noch eine Verwertung finden können. In den letzten Jahren ist Mottainai zu einem Schlagwort für die Nachhaltigkeitsbewegung in Japan, aber auch auf internationaler Ebene geworden. Die japanische Kultur hat im Vergleich zu westlichen Ländern dem gesellschaftlichen Nutzen schon immer mehr Bedeutung beigemessen als dem Bedürfnis des Einzelnen. So kann angesichts der technologischen Führungsrolle des Landes in Industriesegmenten wie Elektronik und Materialdesign das neue Streben nach nachhaltigen Technologien und Materialien nicht überraschen. Die neue 3GeV-Synchrotronstrahlungsanlage ist eine Folge dieser Bemühungen: Sie ist als „kostengünstige Schwester“ des SPring-8 konzipiert, das zu den fünf größten Synchrotrons der Welt gehört und im Zentrum des Landes beheimatet ist. Die Anlage stärkt die Dichte der Forschungsinfrastruktur im weiter östlich gelegenen Teil der Insel Honshũ und spiegelt die große Nachfrage japanischer Unternehmen nach mehr Zugang zu Synchrotronstrahlung wider.

Synchrotrons sind hochentwickelte Vakuumanlagen, in denen Elektronen beschleunigt und auf einem Kreis mit großem Durchmesser geführt werden, um eine bestimmte Strahlung auszusenden. Die 3GeV-Anlage hat einen Umfang von 349 m. Sie konzentriert sich auf das weiche Röntgenspektrum, das für die Untersuchung organischer Funktionsmaterialien, magnetischer Materialien sowie kohlenstoffbasierter Moleküle für Medikamente, Lebensmittel und medizinische Anwendungen sehr interessant ist. Dies sind die wichtigsten Materialien und Kerntechnologien für eine nachhaltige Wirtschaft. So versprechen funktionelle organische Moleküle, z. B. biologisch abbaubare Kunststoffe oder neuartige Solarzellenmaterialien, den Einstieg in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in großem Maßstab. Darüber hinaus zielt die Forschung zu magnetisch spintronischen Bauelementen darauf ab, Chips auf Siliziumbasis zu ersetzen, indem Geschwindigkeit und Energieeffizienz verbessert werden. Damit wird ein Hauptproblem des digitalen Zeitalters angegangen, eine Zunahme des weltweiten Stromverbrauchs durch eine wachsende Zahl von IT-Systemen.

Um Synchrotronstrahlung zu erzeugen, muss in einem Ring aus Röhren ein Ultrahochvakuum erzeugt und aufrechterhalten werden. Zeitsparende Wartung ist ein wichtiger Faktor für die Synchrotroninfrastruktur, da das Projekt darauf abzielt, Synchrotronstrahlung an private Industrieunternehmen zu liefern, die in der Regel mit eng getakteten Projektplänen arbeiten.

Elektronen in der Bahn halten

Als Experte für maßgeschneiderte Vakuumsystemlösungen hat VAT bereits Vakuumventile und Komponenten für den großen Bruder SPring-8 hergestellt. Eine Strategie beim Management großer Vakuumsysteme ist die Unterteilung in mehrere Vakuumzonen, die durch Ganzmetall-Vakuumschieber mit HF-Brücken vom Gesamtsystem abtrennbar sind. Im Falle einer Leckage oder eines Wartungsbedarfs in einer Zone können die anderen Zonen unter Vakuum gehalten werden, während der betroffene Abschnitt – und zwar ausschließlich dieser – belüftet und gewartet werden kann. Diese Lösung begrenzt auch die Kontamination durch Leckagen, da Umgebungsluft nur in diesen Abschnitt eindringt.

Darüber hinaus müssen die Experimentier-Stationen am Ende einzelner Beamlines für den Aufbau neuer Experimente regelmäßig be- und entlüftet werden und sind daher ebenfalls durch Vakuumschieber getrennt.

Im Allgemeinen gehören Sektorventile in Synchrotron-Speicherringen zu den komplexeren Komponenten innerhalb des Vakuumsystems, da der Elektronenstrahl durch sie hindurchgeht. Jedes Ventil bedeutet eine Unterbrechung der Hochfrequenzführung, welche die Elektronen im Synchrotronring der Bahn hält. Werden diese Unterbrechungen nicht kompensiert, führt dies zu einem Verlust von Elektronen bzw.  einem Intensitätsverlust der Synchrotronstrahlung.

„Das ist unser Kerngeschäft, und wir sind wahrscheinlich weltweit das einzige Unternehmen, das RF-Ganzmetall-Sektorventile entwickeln und herstellen kann, die die RF-Führung mit der erforderlichen Genauigkeit überbrücken können“, erklärt Takaki Kobayashi, Senior Sales Manager bei VAT. Der Ganzmetallschieber der Serie 47 XHV RF ist das Arbeitspferd von VAT für die Segmentierung von fast allen Synchrotron-Speicherringen weltweit. Die Ventile können das Vakuum hermetisch abdichten. Ihr reproduzierbares Schließen wurde mit mehr als 10.000 Öffnungs-/Schließzyklen getestet. Dies mit ausschließlich metallischen Komponenten zu erreichen, ist zwar eine Herausforderung, aber unumgänglich, will man die niedrigen Vakuumdrücke sowie die Haltbarkeit in den rauen Bestrahlungsumgebungen von bis zu 108 Gray, die in Synchrotronen anzutreffen sind, gewährleisten. „Die Hauptschwierigkeit besteht jedoch in der Gestaltung der RF-Brückenöffnung, die für jedes Synchrotron individuell angepasst werden muss.“ Die RF-Brücke stellt die Hochfrequenzführung und den elektrischen Kontakt durch das Ventil sicher. Sie sorgt dafür, dass die Ventile mit den HF-Eigenschaften des Rings übereinstimmen, und halten so die Elektronen auf ihrer Bahn und auf Geschwindigkeit.

Daher setzten sich die Ingenieure der 3GeV-Anlage bereits in der frühen Planungsphase mit VAT in Verbindung und fragten nach maßgeschneiderten Sektorventilen. Nachdem die Details direkt mit den Kollegen in der Schweiz geklärt waren, ging es an die Spezifizierung der Anforderungen. Basierend darauf lieferte VAT einen Prototyp für Tests, wobei sich die Leistung des Ventils als hervorragend erwies. In dem Synchrotron ist jedoch noch mehr VAT-Technologie installiert: „Unsere Schnellschlussklappen schützen das Hauptvakuum des Rings vor einem Zusammenbruch bei möglichen Fehlfunktionen in den Versuchsstationen. Dies ist eine sehr wichtige Funktion in Synchrotrons, die als Multi-User-Umgebung betrieben werden“, erläutert Takaki Kobayashi. In weniger als zehn Millisekunden trennt der Shutter die undichte Versuchsstation vom Vakuumsystem des Speicherrings und gibt dem Sektorventil Zeit, die Station hermetisch abzudichten.

Ein Ring als Weg in eine nachhaltige Zukunft

Der 3GeV-Synchrotronring befindet sich jetzt in der letzten Bauphase. Am Ende wird er mehr als 800 Ventile und Komponenten von VAT enthalten. Die Inbetriebnahme ist für 2023 vorgesehen, und viele japanische öffentlich-private Partnerschaften bereiten sich bereits auf die ersten Versuche vor. „Es ist großartig, Teil eines so komplexen Projekts zu sein und die Ambitionen unseres Landes für technologiegetriebene Nachhaltigkeit zu fördern. VAT ist für sein technisches Know-how im Synchrotron-Design sehr angesehen in Japan“, weiß Takaki Kobayashi. Im Gegenzug schätzt VAT die Vorreiterrolle Japans bei technologischen Lösungen für eine nachhaltige Zukunft. Weiter so!