Licht war für die Menschheit schon immer das wichtigste Instrument, um das Verständnis der Natur zu verbessern. Wir neigen dazu, nur zu glauben, was wir sehen. Eine faszinierende Lichtquelle ist Synchrotronstrahlung. Wissenschaftler lieben sie wegen ihrer hohen Intensität und Brillanz, ihrer definierten Eigenschaften und ihres breiten Frequenzspektrums, die sich von Röntgenstrahlen über sichtbares Licht bis hin zur Infrarotstrahlung erstreckt. Sie ermöglicht völlig neue Untersuchungen von Materie und verbesserte Entwicklungen von Materialien und Medikamenten. Regierungen investieren Milliarden von Dollar in Forschungseinrichtungen, um ihren Wissenschaftlern diese Synchrotronstrahlung zur Verfügung zu stellen. Aber wie wird sie erzeugt?

Basierend auf Einsteins spezieller Relativitätstheorie wird Synchrotronstrahlung in großen Speicherringen erzeugt, indem Elektronenpakete mit relativistischen Geschwindigkeiten, d. h. mit nahezu Lichtgeschwindigkeit, auf einer Kreisbahn bewegt werden. "Stellen Sie sich vor, Sie stehen als Zuschauer auf der Tribüne einer ringförmigen Rennstrecke. Jedes Mal, wenn ein Auto an Ihnen vorbeifährt, hören Sie sein dröhnendes Geräusch, das Sie begeistert. Ein Synchrotron ist ähnlich: Die Rennstrecke ist ein Speicherring mit einem Durchmesser von etwa hundert Metern. Ähnlich wie die Autos, die auf der Rennstrecke das Geräusch machen, fliegen Elektronenpakete auf einem Kreis innerhalb des Rings. Jedes Mal, wenn sie einen bestimmten Punkt passieren, geben sie die brillante Strahlung ab, die Wissenschaftler für ihre Experimente in sogenannten Beamlines begeistert nutzen", erklärt Rafael Molena Seraphim, Leiter der Vakuumgruppe am brasilianischen Synchrotronlichtlabor LNLS. "Allerdings sind die Elektronen etwa 5 Millionen Mal schneller als ein Formel-1-Rennwagen."

Der Ring besteht aus metallischen Röhren, innerhalb derer die Elektronen durch Magnete auf einer Kreisbahn gehalten werden. Damit keine Luftmoleküle mit den Elektronen kollidieren und deren relativistische Bewegung behindern, werden die Röhren im Ultrahochvakuum (UHV) von 10-12 Millibar gehalten. Diese Atmosphäre ist mit der Oberfläche des Mondes vergleichbar. Kurz gesagt könnte man zusammenfassen, dass ein Synchrotron Einsteins relativistische Rennstrecke für Teilchen in einer mondähnlichen Atmosphäre ist.

Der SIRIUS-Ring in Brasilien ist einer der neuesten Synchrotronringe der vierten Generation. Mit seinem Bau wurde 2015 begonnen, und er stellt die anspruchsvollste und komplexeste Infrastruktur dar, die je in diesem Land gebaut wurde. Er beschleunigt Elektronen auf relativistische Energien von 3 GeV innerhalb eines Speicherring von 518 m Umfang. Das Abpumpen der Luft aus dem großen Speicherring ist eine Herausforderung und erfordert viel Zeit. Außerdem muss der Ring vor Verunreinigungen geschützt werden, und zwar auch dann, wenn mehrere Wissenschaftler gleichzeitig Experimente durchführen.

Hightech VAT Ventile halten Elektronen in der Spur

Die Hauptstrategie zum Aufbau eines solch großen und komplexen UHV-Systems besteht darin, es in verschiedene Segmente zu unterteilen, die durch Schieberventile voneinander abtrennbar sind. Auf diese Weise können einzelne Teile des Rings für Wartungsarbeiten belüftet werden, während der Rest unter ultrahohem Vakuum gehalten wird. Der kritische Aspekt der Sektionsventile ist jedoch nicht die Dichtheit beim Verschluss, sondern wenn sie während des Synchrotronbetriebs geöffnet sind. Die Elektronen fliegen in kleinen Paketen durch den Ring, der dadurch einen hochfrequenten (HF) Wechselstrom führt. "Die geöffneten Ventile müssen das elektronische Design der Röhren so weit wie möglich nachahmen, um jegliche HF-Störungen für den Elektronenstrom zu vermeiden", betont Rafael Seraphim. "Ansonsten ist es wie Öl auf Rennstrecke, der Rennwagen würde bei hoher Geschwindigkeit aus der Kurve fliegen. Genauso würden die Elektronen ihre optimale Kreisbahn verlassen."

VAT bietet seit langem spezielle Vakuumventile für den Betrieb von Speicherringen an. Diese reichen von den Ganzmetall-Eckventilen der Baureihe 54.1 zum Belüften und Abpumpen bis hin zu den Schieberventilen der Baureihen 47 und 48. "Unsere Ganzmetallventile sind frei von Elastomeren und speziell für das anspruchsvolle Strahlungsumfeld im Inneren eines Speicherrings geeignet. Zusätzlich ist es uns immer möglich, die Ventile an die spezifischen Bedürfnisse unserer Kunden anzupassen. Bereits in der frühen Planungsphase von SIRIUS im Jahr 2012 bin ich daher nach Brasilien geflogen, um die spezifische Architektur und die Anforderungen des Projekts zu verstehen", erinnert sich Jürg Öhri. "Wir haben damals eine sehr offene und konstruktive Zusammenarbeit begonnen."

In der Folge entwickelte VAT den Ganzmetallschieber der Baureihe 47 XHV RF mit einer speziellen Hochfrequenzbrücke. Im geöffneten Zustand überbrückt es zwei Vakuumröhren des Rings mit einer speziellen Metallfeder, um sicherzustellen, dass die Verbindung genau mit den elektrischen Eigenschaften des SIRIUS-Rings übereinstimmt. Dadurch sehen die Elektronen, die durch das geöffnete Ventil fliegen, keinen Unterschied mehr zu der glatten Röhre, die im Rest des Rings verwendet wird.

Die Benutzung eines Synchrotrons durch verschiedene wissenschaftliche Anwender ist eine weitere Herausforderung, welche zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfordert: "Die Beamlines werden von vielen Wissenschaftlern gebucht, die kreative, neuartige Experimente durchführen. Für den Fall, dass etwas schiefgeht, müssen wir den Speicherring vor jeglicher Kontamination schützen, die von einem nicht funktionierenden Experiment an der Beamline eindringen könnte", definiert der Beamline-Ingenieur Gustavo Rodrigues die Aufgabe. Um dies zu erreichen, hat VAT ein Sicherheitssystem bereitgestellt, das aus Störungsdetektoren und einem UHV-Schnellschluss-Shutter der Baureihe 77.3 besteht. Dieses kann die Beamline innerhalb von nur 10ms vom Speicherring trennen. Mit anderen Worten: Die Rennstrecke bleibt frei von Verunreinigungen.

VAT Ventile öffnen die SIRIUS-Rennstrecke für Wissenschaftler

Die Vakuumventile gehören zu komplexesten Komponenten in einem Synchrotronring. Bis 2021 haben die LNLS-Ingenieure fast 300 VAT-Ventile im SIRIUS Projekt verbaut. Die VAT-Hightech-Lösungen sind daher ein Grund dafür, dass die ersten Beamlines des SIRIUS mittlerweile in Betrieb sind und die Wissenschaftler ihre Experimente durchführen können. Am Ende besteht die Möglichkeit den Ring auf bis zu 38 Beamlines zu erweitern. "Durch das fundierte Know-how im Synchrotron-Vakuumdesign und die Flexibilität bei der Anpassung von Komponenten an den jeweiligen Anwendungsfall war VAT ein starker Technologiepartner bei der Realisierung des SIRIUS-Betriebs bis 2020", fasst Rafael Seraphim zusammen. "Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie diese komplexen wissenschaftlichen Infrastrukturen heranreifen. Wir sind Weltmarktführer für komplexe wissenschaftliche Vakuumanlagen, denn rund 90 % der UHV-Ventile in Synchrotronringen werden von uns hergestellt. Jedes Projekt hat jedoch seine eigenen Herausforderungen und Anforderungen, denen wir uns immer gerne stellen", erklärt Jürg Öhri, Vertriebsingenieur bei VAT. "Wir sind stolz darauf, einwichtiger Partner bei der Verwirklichung von SIRIUS zu sein und mitzuhelfen den Forschern eine moderne wissenschaftliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen", so Jürg Öhri abschliessend.