Im Jahr 1936 entdeckten die Forscher Carl D. Anderson und Seth Neddermeyer bei ihren Untersuchungen von kosmischer Strahlung ein bis dahin unbekanntes Elementarteilchen: das Myon. In vielerlei Hinsicht ist das Myon dem Elektron recht ähnlich. In zwei Punkten unterscheiden sich die beiden Teilchen jedoch erheblich: Im Gegensatz zu Elektronen zerfallen Myonen spontan binnen weniger Mikrosekunden, und ein Myon ist etwa 200 Mal schwerer als ein Elektron. Ihr hohes Gewicht verleiht Myonen eine enorme kinetische Energie, so dass sie beispielsweise mehrere Kilometer dickes Gestein durchdringen können, bevor ihr Energievorrat aufgezehrt ist und sie zerfallen. Diese Eigenschaft macht sich die Myonentomografie zunutze, indem sie das Streuverhalten von Myonen beim Durchgang durch größere Objekte wie z.B. Gesteinsschichten analysiert und daraus wertvolle Rückschlüsse über die materielle Beschaffenheit des durchstrahlten Objekts zu ziehen vermag. Der Clou dabei ist, dass die für die Untersuchung notwendige Myonenstrahlung nicht extra hergestellt werden muss – vielmehr kann man dafür die in der natürlichen kosmischen Strahlung auftretenden Myonen verwenden!

Die Anwendungsgebiete der Myonentomografie sind enorm vielfältig. Beispielsweise gelang es Forschern vor einigen Jahren, mithilfe von Myonen einen über 30 Meter langen Hohlraum in der berühmten Cheops-Pyramide in Ägypten zu identifizieren. Eine antike Grabstätte vielleicht? Doch Myonen helfen nicht nur bei der Entschlüsselung historischer Artefakte! Die Produkte des israelischen Start-Up-Unternehmens Lingacom sind ein prima Beispiel dafür, wie sich Myonenstrahlung für ganz pragmatische Fragestellungen wie z.B. die Bodenanalyse im Rahmen von Tiefbauvorhaben oder die „Durchleuchtung“ von Verladecontainern in Bezug auf nukleare/radiologische Gefahrenstoffe nutzen lassen. Zu diesem Zweck haben die Lingacom-Forscher zwei unterschiedliche Myonen-Detektoren entwickelt, einen Flachdetektor (z.B. für Flächenscans) und einen Röhrendetektor (z.B. für Bohrlöcher). Die Entwicklungsarbeit hat sich vollauf gelohnt: Mittlerweile ist das Unternehmen zu einem führenden Anbieter von bildgebenden Systemen auf der Basis von kosmischer Myonenstrahlung herangewachsen. Auch die Politik ist längst auf die innovativen Ideen von Lingacom aufmerksam geworden: So ist das Unternehmen im Rahmen des prestigeträchtigen EU-Programms „Horizon 2020“ federführend als Koordinator des COSMIC-Pilotprojekts (www.cosmic-cbrne.eu) zum automatisierten Scannen von Transportcontainern, zum Beispiel in Häfen oder an Grenzübergängen, beteiligt. Egal welche Anwendung, das schlagende Argument für die Lingacom-Detektoren ist stets dasselbe: Sie verwenden lediglich die natürliche kosmische Myonenstrahlung, benötigen also keinerlei zusätzliche Strahlungsquelle für ihre beeindruckenden Messergebnisse.

Um verschiedene räumliche Auflösungen unterstützen zu können, werden die Detektoren in unterschiedlichen Formen hergestellt. Grundsätzlich folgen sie aber alle demselben Wirkprinzip: Die einfallenden Myonen lösen in einem Spezialgasgemisch, das sich im Inneren des Detektors befindet, eine Ionisierung und Elektronenvervielfachung aus. Dafür ist es essentiell, dass die Detektoren vor ihrer Inbetriebnahme erst unter Vakuum gesetzt, dann kontaminationsfrei mit dem Spezialgas befüllt und anschließend hermetisch abgedichtet werden. Drei Prozessschritte, denen Lingacom bei der Suche nach einer verlässlichen Lösung für die Detektorherstellung noch drei konkrete Zielsetzungen mit auf den Weg gab: 1) Alle drei Prozessschritte sollten vereinheitlicht sein; 2) die Detektoren sollten sich wiederholt öffnen und schließen lassen; und 3) die Lösung sollte leicht für die künftige Serienproduktion automatisierbar sein. Klingt ziemlich anspruchsvoll, oder? Aber: ISI, der israelische Vertriebspartner von VAT, hatte nach kurzer Überlegungszeit die perfekte Antwort für diese ambitionierte Fragestellung parat! Schnell hatten sich ISI und Lingacom auf eine gemeinsame Entwicklung geeinigt, deren Grundidee Shlomi Sofer, der bei ISI verantwortliche Vertriebsingenieur, wie folgt beschreibt: „In enger Kooperation mit unseren VAT-Kollegen in der Schweiz haben wir Standard-Abpumpventile der Baureihe 23 an die speziellen Bedürfnisse von Lingacom angepasst. Beim Röhrendetektor ist der Platz viel knapper, entsprechend kommen DN25-Ventile zum Einsatz. Bei den Flachdetektoren können wir hingegen DN40-Ventile verwenden.“ In beiden Fällen ist der entscheidende Unterschied zur Standardlösung der Stopfen: Anstatt herkömmlicher Abpumpadapter entwickelten die VAT-Kollegen spezielle Stopfen, die am Ventilmechanismus eingehängt werden und nach Beendigung der Evakuierung sowie der anschließenden Gasbefüllung als vakuumdichter Verschluss dienen. Danach kann die Vakuumpumpe zur Evakuierung bzw. Befüllung des nächsten Detektors verschoben werden, während der Stopfen im bereits fertiggestellten Detektor verbleibt. Und falls man doch nochmals im Innenraum des Detektors tätig werden muss? Kein Problem! „Im Gegensatz zum klassischen Pinch-Off-Verfahren lassen sich die Stopfen beliebig oft öffnen und wieder verschließen. Unser Verfahren ist also nicht nur eine echte Alternative zu Pinch-Off, sondern auch nachhaltiger, weil wiederverwendbar“, erklärt Shlomi Sofer stolz. „Und im Gegensatz zu Lösungsansätzen, bei denen das Ventil am Detektor verbleibt, wird der Stöpsel nicht durch Sand, Wasser oder andere Umweltfaktoren beschädigt!“ Da der Stöpsel formschließend dichtet, ragt nichts aus dem Detektor heraus, was zusätzlich geschützt werden müsste, wie das etwa bei Pinch-Off-Lösungen der Fall ist. So zieht auch Jürg Öhri, der bei VAT verantwortliche Sales Manager, ein sehr positives Fazit: „Alles in allem ist das Stöpselverfahren als Dichtungsmethode wesentlich sicherer, zuverlässiger und flexibler als die anderen bisher bekannten Lösungsansätze.“

Bei der Lingacom-Applikation liegt das Vakuumlevel im Bereich von 10-5 bis 10-6 mbar, anschließend wird das Gasgemisch – dessen genaue Zusammensetzung natürlich ein bestens gehütetes Firmengeheimnis ist – bis auf Atmosphärendruck eingefüllt. Entsprechend erwies es sich als ausreichend, die Stöpsel mit einer klassischen Elastomer-Dichtung zu versehen. „Mit einer metallischen Dichtung ließe sich die Lösung aber problemlos auf UHV-Applikationen erweitern“, weiß Jürg Öhri. Mithilfe von Metalldichtungen könnte man auch ein herstellungsbedingtes „Ausheizen“ der betreffenden Produkte integrieren, während die Elastomer-Dichtung bei maximal 200°C an ihre Belastungsgrenze kommt. Dank ihres weitreichenden Knowhows sind VAT und seine internationalen Kooperationspartner bestens in der Lage, spezifisch auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse eingehen, sowohl die Stopfengeometrie als auch die Dichtungstechnologie betreffend. „So lassen sich die Stopfen ganz genau ans Produkt anpassen“, zeigt sich Shlomi Sofer zufrieden.

Auch bei Lingacom ist man mit der Lösung sehr zufrieden. „Dank der innovativen VAT-Technologie lässt sich die Produktionsumgebung für die Detektoren viel kompakter gestalten“, erklärt David Yaish, CEO bei Lingacom. „Als kombinierte Vakuum- und Nichtvakuumanwendung ist zudem eine wesentlich größere Verlässlichkeit gegeben, da ein Absetzen des Ventils und damit ein mögliches Eindringen von Fremdpartikeln unterbleiben.“ Shlomi Sofer fasst die rundum gelungene Zusammenarbeit trefflich zusammen: „Derzeit gibt es auf dem Markt keine andere Alternative zur Pinch-Off-Technologie. Bisher ist der Herstellungsprozess noch manuell, doch dank der Zusammenführung von Evakuation und Gasbefüllung in einen einzigen Prozessschritt lässt sich das Aufbringen des Ventilstöpsels vergleichsweise leicht automatisieren.“ Natürlich machte das tolle Ergebnis schnell die Runde in Entwicklerreisen, schließlich werden auch in vielen anderen Industriezweigen saubere, verlässliche und integrierte Vakuumverschlüsse dringend gesucht. „Erst neulich haben wir eine Gruppe interessierter Unternehmer durch unsere Labors geführt und ihnen die innovative VAT-Lösung im Detail erklärt“, berichtet David Yaish zum Abschluss, „und alle Reaktionen waren sehr, sehr positiv!”