Entangleverschränkte Quanten Zustände sind kein Hirngespins

Den diesjährigen Nobelpreis für Physik teilen sich in diesem Jahr Alain Aspect, John F. Clauser und Anton Zeilinger für ihre bahnbrechenden Experimente mit verschränkten Photonen, die letztlich das Tor zum brandneuen Forschungsgebiet der Quanteninformation aufgestoßen haben. Verschränkte Quantenzustände sind nicht-separierbare Mehrteilchenzustände, die sich ganz zwanglos aus der mathematischen Struktur der Quantentheorie ergeben, deren Existenz jedoch lange Zeit hochumstritten war – hätten sie doch zur Folge, dass die Quantentheorie eine nichtlokale Theorie ist. Erst die berühmte Bell'sche Ungleichung machte es prinzipiell möglich, der Frage nach einer möglichen Nichtlokalität der Quantenphysik auf experimentellem Weg nachzugehen. Und auf eben diesem experimentellen Weg spielten die diesjährigen Nobelpreisträger eine maßgebliche Rolle. Dank ihrer genialen Experimente zur Überprüfung der Bell'schen Ungleichung können wir heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen: Quantenphysik ist nichtlokal, und verschränkte Zustände sind kein Hirngespinst!

Dank der Pionierarbeit von Forschern wie John Francis Clauser, Alain Aspect und Anton Zeilinger sind Quantencomputer, Quantenteleportation oder Quantenkryptographie heute nicht mehr bloße Theorie, sondern konkreter Gegenstand der aktuellen Grundlagenforschung – mit unglaublichem Potenzial für die Wissenschaft und die Industrie. Da bei allen Anwendungen in diesen Gebieten einzelne Photonen beziehungsweise Atome exakt kontrollierbar sein müssen, braucht es Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und ein hochverlässliches Ultrahochvakuum. Entsprechend wichtig sind Hightech-Vakuumventile. VAT arbeitet schon seit vielen Jahren eng mit den maßgeblichen Forscherteams zusammen und verfügt über einen entsprechend großen Erfahrungsschatz rund um die Entwicklung von ultraschnellen Quantencomputern, sicheren Quantenkryptografie-Verfahren, hochempfindlichen Quantensensoren und anderen aufregenden Quanteninformationsthemen. Beispielsweise liefert VAT hochpräzise Vakuum- und Gasdosierventile für die bei solchen Quantenexperimenten benötigten Kühleinheiten. Ein besonderes Merkmal der VAT-Lösungen: In sogenannten Mehrventilbaugruppen sind mehrere Ventilfunktionen in einem kompakten Gehäuse zusammengefasst. Neben einer vereinfachten Montage werden dadurch das Einbauvolumen und auch das Risiko möglicher Leckage-Stellen verringert.

Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger

Der diesjährige Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger in seinem Labor. Mit von der Partie: ein VAT-Hochpräzises UHV-Vakuum-Schieberventil (Baureihe 10.8).

Quelle: VAT Archiv

Um die fundamentale Bedeutung der Beiträge der diesjährigen Physik-Nobelpreisträger angemessen würdigen zu können, laden wir Sie zu einem kleinen Ausflug in die bisweilen ziemlich bizarre Welt der Mehrteilchen-Quantensysteme ein…

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Den Gedanken von Heisenberg und Schrödinger auf der Spur
Schon für ein einzelnes Teilchen wie zum Beispiel ein Photon stellt die Quantenphysik den menschlichen Geist vor ziemliche Herausforderungen. Denken Sie etwa an die Heisenberg’sche Unschärferelation, die besagt, dass Sie – völlig entgegen der „normalen“ Intuition – entweder den Aufenthaltsort oder die Geschwindigkeit des Quantenteilchens kennen können, niemals aber beide Größen gleichzeitig. Vielmehr sind diese beiden Größen – wie auch die Energie und die Zeit oder anderen vergleichbare Variablenpaare – über eine im Jahr 1927 von Werner Heisenberg postulierte Ungleichung miteinander verwoben, die verlangt, dass die Messgenauigkeit des Orts multipliziert mit der Messgenauigkeit der Geschwindigkeit stets größer sein muss als das sogenannte Planck’sche Wirkungsquantum. Wie der Name schon ahnen lässt, hat dieses Wirkungsquantum einen ungeheuer kleinen Wert von etwa 10-35 Js. Dies ist auch der Grund, warum die Heisenberg’sche Unschärferelation auf der makroskopischen Ebene keinerlei spürbare Folgen hat. Wenn Sie etwa abends Ihr Auto abstellen, das heißt seine Geschwindigkeit auf 0 km/h festlegen, können Sie auch mit absoluter Gewissheit sagen, wo das Auto steht. (Ob Sie sich am nächsten Morgen noch daran erinnern, ist eine andere Sache.) Doch je tiefer Sie sich in die Welt der Nanostrukturen, Atome und Elementarteilchen vorwagen, desto lauter fordert die Heisenberg’sche Ungleichung ihre Existenzberechtigung ein – die Gesetze der klassischen Physik erweisen sich als unzureichend, um die in der Quantenwelt auftretenden Phänomene adäquat zu beschreiben. Ein typisches Beispiel dafür ist die Wellennatur von Quanten und die daraus resultierende Möglichkeit, dass sich zwei Quantenzustände überlagern und dabei je nach Phasenlage addieren oder auch auslöschen können (konstruktive bzw. destruktive Interferenz). Dieses Superpositionsprinzip ist ein reines Quantenphänomen: Versuchen Sie mal, zwei Fußbälle so aufeinander zu schießen, dass sie sich gegenseitig auslöschen!

Eine weitere, besonders schwer verdauliche Besonderheit der Quantenwelt ist, dass Sie dort mit Entweder-Oder-Konzeptualisierungen zumeist in die Sackgasse laufen. Denn solange sich ein Quantenteilchen frei entfaltet, ist es unmöglich, ihm eine definitive Zustandsbeschreibung im Sinne von „Dieses Teilchen hat die Eigenschaft XY“ anzuheften. Die einzige Information, die sich das Teilchen entlocken lässt, sind Wahrscheinlichkeiten dafür, dass es sich in einem bestimmten Zustand befindet. Doch solange Sie nicht konkret nachsehen – also eine Messung vornehmen –, müssen Sie sich mit einer seltsam unkonkreten Wahrscheinlichkeitsaussage zufriedengeben. Der berühmte theoretische Physiker Erwin Schrödinger brachte dieses seltsame Quantenverhalten sehr treffend auf den Punkt, als der sich ein Gedankenexperiment ausdachte, in dem eine Katze auf raffinierte Weise vergiftet wird und in der Folge sowohl lebendig als auch tot ist, bis Sie sich ihres Zustands vergewissern und so die Katze zu einer definitiven Aussage in Bezug auf ihren Zustand zwingen. Zum Glück mitteln sich diese Wahrscheinlichkeitsphänomene beim Übergang in die makroskopische Welt zunehmend heraus. Vermutlich würden Sie ziemlich schlecht schlafen, wenn Sie wüssten, dass Ihr Auto nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent noch in Ihrer Garage steht und mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent bereits auf einer kleiner Spritztour unterwegs ist, oder? Kein Wunder also, dass auch die Pioniere der Quantenphysik ausgiebige Debatten darüber führten, wie sich unsere gängige Vorstellung, dass sich ein System in einem bestimmten Zustand befindet (egal ob wir hinsehen oder nicht), in die Quantenwelt hinüberretten ließe. Aber letztlich half alles Debattieren nichts, denn in Experimenten zeigte sich ein ums andere Mal, dass die Eigenschaften eines Quantenteilchens tatsächlich erst durch die Messung festgelegt werden. Erst durch die Messung kollabiert die Wahrscheinlichkeitswolke verschiedener Zustandsmöglichkeiten auf einen sogenannten Eigenzustand und Sie können das Teilchen „beim Namen nennen“.

Reichlich verwirrend, oder? Wenn Sie sich nun jedoch Mehrteilchen-Quantensysteme ansehen, wird es nochmals verwirrender. Das Symbol [0>●[1> lässt sich noch recht intuitiv als ein Zweiteilchen-Zustand deuten, dessen erstes Teilchen sich im Eigenzustand [0> und dessen zweites Teilchen sich im Eigenzustand [1> befindet. Auch bei einer Superposition der Form [0>●[0> + [0>●[1> können Sie durch Ausklammern noch eine klare Trennung zwischen den beiden Teilchen herstellen: [0>●[0> + [0>●[1> = [0>●([0> + [1>), mit anderen Worten, das erste Teilchen ist im Eigenzustand [0> und das zweite Teilen im (Superpositions-)Zustand [0> + [1>. Doch versuchen Sie bitte mal, den Zustand [0>●[0> + [1>●[1> auf ähnliche Weise in zwei klar getrennte Teilchenräume zu zerlegen. Keine Chance! Aus theoretischer Sicht handelt es sich zwar um einen legitimen Zustand des Zweiteilchensystems, jedoch läuft die Tatsache, dass sich die einzelnen Teilchen irgendwie zu vermischen scheinen, unserer Alltagsanschauung diametral entgegen.

Solche Zustände werden verschränkte Zustände genannt. Ihr wesentliches Charakteristikum ist, dass sie sich nicht mehr auf handliche Einzelsysteme reduzieren lassen. Im Fall von [0>●[0> + [1>●[1> wissen Sie lediglich, dass das erste Teilchen den Zustand [0> annehmen muss, wenn das zweite Teilchen denselben Zustand [0> annimmt, und dass das erste Teilchen den Zustand [1> annehmen muss, wenn das zweite Teilchen den Zustand [1> einnimmt. (Andernfalls müssten Mischterme der Form [0>●[1> in der Zustandsfunktion auftauchen.) Diese recht mathematische Überlegung hat weitreichende philosophische Konsequenzen. Stellen Sie sich dazu bitte einmal vor, Sie würden den oben beschriebenen verschränkten Zustand herstellen und dann die beiden Teilchen so weit voneinander wegfliegen lassen, dass sie auf herkömmlichem Wege keinerlei Informationen mehr austauschen können. (Zur Erinnerung: In der klassischen Physik kann sich Information nicht schneller als Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, entsprechend muss es einen Abstand geben, der solch eine „Informationsbremse“ gewährleistet.) Das Verstörende ist nun, dass die beiden verschränkten Teilchen trotzdem voneinander "wissen": Sobald Sie den Zustand des einen Teilchens messen, ist instantan auch der Zustand des zweiten Teilchens festgelegt – egal wie weit die Teilchen voneinander entfernt sind! Mit anderen Worten: Wenn es verschränkte Zustände wirklich gibt, dann ist die Quantentheorie eine nichtlokale Theorie.


Anton Zeilinger und Kollegen haben gezeigt – es ist möglich
Die Vorstellung, im Quantenbereich die Lokalität – in der klassischen Physik eine heilige Kuh – opfern zu müssen, stieß damals bei zahlreichen Physikern auf erbitterten Widerstand. Albert Einstein etwa tat quantenmechanische Verschränkung lange spöttisch als „spukhafte Fernwirkung“ ab, und theoretische Physiker wie David Bohm entwickelten alternative Quantentheorien auf der Basis von verborgenen Variablen, mit deren Hilfe sich die Quantenwelt wieder lokal erklären ließe. Doch all diese hitzigen Diskussionen bewegten sich lange Zeit nur auf philosophisch-theoretischem Boden. Bis ins Jahr 1964. Dann nämlich schlug die Stunde von John Stewart Bell, einem theoretischen Physiker aus Irland, der eine raffinierte mathematische (Un-)Gleichung herleitete, mit deren Hilfe sich durch Experimente nachprüfen ließ, ob es in der Quantenwelt nicht-lokal zugeht oder ob Quantenobjekte womöglich doch lokale Zusatzeigenschaften im Sinne Bohms und Einsteins aufweisen. Mithilfe der Bell’schen Ungleichung wurde die Frage, ob die Quantenphysik eine lokale Theorie ist oder nicht, plötzlich unmissverständlich beantwortbar – zumindest im Prinzip.

Trotzdem sollte es noch über ein Jahrzehnt dauern, bis Physiker endlich technisch in der Lage waren, die Bell’sche Ungleichung auf den experimentellen Prüfstand zu stellen. Und genau bei dieser Prüfung spielten die diesjährigen Nobelpreisträger eine entscheidende Rolle. So führte John Francis Clauser im Jahr 1974 gemeinsam mit seinen Kollegen ein Experiment durch, das erstmals eindeutig auf eine Verletzung der Bell‘schen Ungleichung hinwies, das heißt also die Nichtlokalität der Quantenphysik bestätigte. Natürlich wollten sich die Forscher dieser Zeit bei solch einer fundamentalen Frage absolut sicher sein, entsprechend wurden in der Folge noch zahlreiche weitere Experimente rund um die Bell’sche Ungleichung durchgeführt, um alle nur möglichen Schlupflöcher zu schließen. Einige dieser Experimente gehen auf das Konto des Jetzt-Nobelpreisträgers Alain Aspect, der 1982 abermals die Existenz verborgener Parameter ausschließen konnte. Im Jahr 1999 lieferte dann der dritte Preisträger Anton Zeilinger gemeinsam mit seinem Team einen noch umfassenderen Beweis für die Nicht-Lokalität der Quantenphysik.

Ein weiteres Thema, das eng mit dem Namen Anton Zeilinger verknüpft ist, ist Quantenteleportation. Beam me up, Scottie! – die Idee, Gegenstände oder gar Lebewesen einfach so in Nullkommanichts von einem Ort im Universum zu einem anderen Ort zu beamen, fasziniert die Menschen seit jeher. Kein Wunder, dass Anton Zeilinger um das Jahr 1998 herum in aller Munde war, als es seinem Forscherteam erstmals gelang, einen Quantenzustand zu teleportieren. Auch hier spielen verschränkte Zustände und deren nichtlokale Eigenschaften eine zentrale Rolle: Bei einer Quantenteleportation wird das zu teleportierende Teilchen mit einem anderen Teilchen verschränkt, anschließend wir das zweite Teilchen an den Zielort der Teleportation gebracht; und durch ein raffiniertes Messverfahren wird dann erreicht, dass der Zustand des Ursprungsteilchens verloren geht und das andere Teilchen eben diesen Zustand annimmt. Wohlgemerkt, wir sprechen hier von einzelnen Photonen und höchst primitiven Eigenschaften wie deren Polarisationszustand! Von dort ist es also noch ein ziemlich langer Weg, bis auch komplexere Materie oder gar Lebewesen auf diese Weise durch die Gegend gebeamt werden können. Nichtsdestotrotz, Anton Zeilinger und seine Kollegen haben gezeigt, das und wie es gehen könnte. Und allein das ist mit Sicherheit nobelpreisreif!

Auch Quantencomputer wären ohne die bahnbrechenden Arbeiten der Herren Clauser, Aspect und Zeilinger immer noch nichts als graue Theorie. Im Unterschied zum klassischen Computer rechnen Quantencomputer auf der Basis quantenmechanischer Zustände, Qubits genannt – und Qubits sind eben nicht entweder Null oder Eins wie beim herkömmlichen Computer, sondern können auch additive Überlagerungen der beiden Basiszustände sein. In der Folge können Sie alle Rechenschritte, die sonst auf nur einen Zustand angewandt werden, auf ein ganzes Bündel an Zuständen anwenden. Diese Parallelität in der Datenverarbeitung ermöglicht völlig neue Anwendungen in der Informationstechnologie – mit einer atemberaubenden Rechengeschwindigkeit. Und das nicht nur in der Theorie, sondern bereits in ganz praktischen Anwendungen, die Sie im Artikel Quantencomputing braucht Hightech-Vakuumventile im Detail kennenlernen können!


VAT Technologie unterstützt Forschungsteams in Quantenphysik und -technologie weltweit
Selbstredend sind Experimente rund um verschränkte Zustände ein enorm subtiles Unterfangen. Die Quantenzustände der einzelnen Photonen beziehungsweise Atome müssen exakt kontrollierbar sein, schließlich hängen Verschränkungsphänomene maßgeblich davon ab, wie stabil die Phasenbeziehungen der Quantenteilchen zueinander sind (Fachbegriff: Kohärenz). Eine Kollision des zu teleportierenden Photons mit einem Luftmolekül, und das Experiment ist futsch. Entsprechend ist auch die Hardware von Quantencomputern enorm störanfällig: Jede noch so kleine Veränderung der Umgebung kann das Rechenergebnis drastisch verfälschen. Kurz gesagt: Ohne eine kontinuierliche Kühlung auf Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts und ohne ein hochverlässliches Ultrahochvakuum wären alle bisher genannten Experimente zum Scheitern verurteilt gewesen. Auch mit Blick auf die Zukunft lässt sich festhalten: Wenn Quantencomputer eine breite Anwendung finden sollen, sind sie zwingend auf Hightech-Vakuumventile angewiesen. Gut, dass VAT schon seit den Geburtsstunden der Quanteninformationstechnik eng mit vielen der maßgeblichen Forscherteams zusammengearbeitet hat beziehungsweise zusammenarbeitet. So waren 1998 auch VAT-Ventile prominent am Start, als Anton Zeilinger in seinem berühmten Entanglement-Swapping-Experiment die Teleportation von verschränkten Zuständen demonstrierte.